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Kahlschlag bei der Aids-Hilfe
Betroffene in Unsicherheit nach dem Stopp des wichtigsten Programms PEPFAR durch die US-Regierung
Wir HIV-positive Patienten sind wirklich in Panik», sagt Franklin Wanyama. Der 29-jährige Kenianer, der HIV-positiv geboren wurde, ist einer von Millionen von Menschen weltweit, deren lebensrettende Behandlung mit US-Hilfen finanziert wurde. Alles hat sich geändert, seit die Regierung in Washington am 20. Januar quasi über Nacht die Entwicklungshilfebehörde USAID und auch den «President’s Emergency Plan for Aids Relief» (PEPFAR) schloss. Dies gilt zunächst für 90 Tage, heißt es im Erlass von Präsident Donald Trump. Aber es gibt erhebliche Zweifel, was ein Comeback angeht.
PEPFAR, gegründet 2003 von dem Republikaner George W. Bush, ist das wichtigste Finanzierungsinstrument für Prävention, Behandlung und Pflege von Menschen mit HIV und Aids in 54 Ländern des globalen Südens, besonders in Afrika. Nach Angaben von Amfar, einer unabhängigen Stiftung für Aidsforschung, wurden mit dem Programm zuletzt täglich 220 000 Menschen mit antiretroviralen Medikamenten versorgt. Diese sind vielerorts teuer und für die Betroffenen oft unerschwinglich. Zudem wurden mehr als 224 000 HIV-Tests durchgeführt, bei denen im Schnitt gut 4300 neue Fälle diagnostiziert wurden. Wichtig waren auch die Schwangerenvorsorge sowie die Betreuung von Waisenkindern und Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erlebt haben. 60 Prozent der PEPFAR-Gelder kamen von USAID.
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In den vergangenen Tagen wurden Kliniken auf der ganzen Welt geschlossen, Aufklärungs- und Medikamentenprogramme gestoppt. Viele der 19 000 Vollzeitarbeitskräfte, darunter HIV-Infizierte, die ihre Familien mit dem Einkommen ernähren, wurden unbezahlt freigestellt. «Ohne finanzielle Unterstützung aus den USA werden innerhalb von vier Jahren 6,3 Millionen Menschen sterben und 8,9 Millionen sich neu mit HIV infizieren», befürchtet UNAIDS, das Aidshilfeprogramm der Vereinten Nationen. «Rund 370 000 Babys werden sich mit HIV infizieren, und ohne Behandlung wird die Hälfte von ihnen ihren zweiten Geburtstag nicht erleben.»
Die von US-Außenminister Marco Rubio angekündigte Ausnahmeregelung für essenzielle Hilfe wird vor Ort mit großer Skepsis gesehen. Aufklärung über HIV und Aids für junge Frauen, homosexuelle Männer, Drogenkonsumenten und andere gefährdete Gruppen bleiben komplett ausgeschlossen. «Die Ausnahmeregelungen führten nicht zur Wiederaufnahme vieler wichtiger Programme zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte», erklärt die Organisation Human Rights Watch.
Am 25. März läuft das Mandat von PEPFAR aus. Niemand weiß derzeit, ob und unter welchen Bedingungen Trump und sein für den Kahlschlag zuständiges Alter Ego Elon Musk es verlängern werden. «Mehr als drei Wochen nach dem Einfrieren der Mittel herrscht immer noch große Verwirrung und Ungewissheit darüber, ob diese wichtige Lebensader für Millionen von Menschen abgeschnitten wird», sagt Avril Benoît, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen in den USA. Zwar nehme die Hilfsorganisation selbst keine Mittel der US-Regierung an, «dennoch hängen viele Aktivitäten davon ab». In Ländern südlich der Sahara wie Südafrika, Südsudan oder Mosambik seien zahlreiche Gesundheitseinrichtungen geschlossen worden, in denen durch PEPFAR finanzierte Organisationen Tests, Therapien und Prä-Expositions-Prophylaxe angeboten wurden.
Kliniken weltweit wurden geschlossen.
Aus Angst vor Repressalien äußern sich Kliniken und Aidshilfegruppen wie Right to Care (RTC) selbst nicht zu dem Stopp von PEPFAR. «Wir sind derzeit nicht in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben», teilte RTC dem «nd» mit. Die Gesundheitsorganisation unterstützt und behandelt in besonders stark von der Epidemie betroffenen Ländern des südlichen Afrika Menschen mit HIV und Aids.
Von der Einstellung von PEPFAR ist auch die Wissenschaft betroffen. Salim Abdul Karim, Direktor des südafrikanischen Aids-Forschungsprogramms CAPRISA, erklärte gegenüber «nd», man erhalte zwar keine PEPFAR-Mittel, führe aber als Auftragnehmer einer anderen Organisation zwei von USAID finanzierte Studien durch, die jetzt gestoppt worden seien. In einer der Studien sollte untersucht werden, ob bei Frauen durch eine vaginale Insertion eines Impfstoffs eine HIV-Übertragung verhindert werden kann.
Das Aus von USAID hat viele Organisationen in eine Schockstarre versetzt. Langsam aber formiert sich Gegenwind. So versuchte der Milliardär und Microsoft-Gründer Bill Gates Trump bei einem Treffen im Weißen Haus davon zu überzeugen, die Schließung von USAID rückgängig zu machen. UNAIDS-Chefin Winnie Byanyima suchte in dieser Woche den Beistand des Vatikans: Die Menschheit habe bei der Bekämpfung von HIV unglaubliche Fortschritte gemacht, sagte sie. «Ohne finanzielle Mittel laufen wir Gefahr, alles zu verlieren, was wir erreicht haben, und es könnte zu einer erneuten Ausbreitung der Aids-Pandemie kommen.»
Die Klinik in Nairobi, die Franklin Wanyama besucht, musste bereits die HIV-Medikamente rationieren. Der Vater von zwei Kindern, die nicht HIV-positiv sind, hat indes seinen Job als Mentor für andere HIV-positive Menschen in einer von den USA finanzierten Einrichtung verloren. Traurig sagte er dem Wissenschaftsmagazin «Nature»: «So wie die Dinge laufen, habe ich das Gefühl, dass ich so viel für nichts gearbeitet habe.»
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