Campbell Wright bei der Biathlon-WM: Der Vulkan ist ausgebrochen

Das 22-jährige Ausnahmetalent im Team der USA ist die Sensation der Weltmeisterschaft in Lenzerheide

  • Lars Becker, Lenzerheide
  • Lesedauer: 4 Min.
Schneller Aufstieg in Lenzerheide: Der doppelte Vizeweltmeister Campbell Wright
Schneller Aufstieg in Lenzerheide: Der doppelte Vizeweltmeister Campbell Wright

»USA, USA«, riefen zwei Frauen in Lenzerheide von der Tribüne, als der zweimalige WM-Silbergewinner Campbell Wright zu den Interviews eilte. Der Sensationsmann der Biathlon-Weltmeisterschaft schaute irritiert nach oben, dann winkte er kurz zurück. Vielleicht lag es daran, dass er sich an sein neues »Heimatland« erst noch gewöhnen muss. Das 22 Jahre alte Ausnahmetalent ist nämlich in Neuseeland aufgewachsen. Geboren ist er in Rotorua, einem weltweit bekannten Touristenort, der vor allem für seine vulkanischen Aktivitäten und Geysire berühmt ist.

Wright ist nun selbst einer der ganz heißen Tipps im Biathlon-Zirkus. Sowohl am Sonnabend im Sprint als auch am Sonntag in der Verfolgung wurde er nur von Johannes Thingnes Bø geschlagen, dem Norweger, der mit nunmehr 22 WM-Titeln die größte Legende seines Sports ist und nach dieser Saison zurücktreten wird. Wright gilt als aussichtsreicher Anwärter auf Bøs Nachfolge – und das ist mit seiner Geschichte mehr als ein kleines Wunder.

In seiner Heimat ist Biathlon noch sehr viel exotischer, als es etwa der dortige Nationalsport Rugby hier bei uns in Deutschland ist. Wright kam in Snow Farm, dem einzigen Skilanglauf-Gebiet in Neuseeland, zum Loipensport. Dort gibt es auch einen kleinen Schießstand. Und so brachte ihn der ehemalige italienische Biathlet Luca Bormolini, der damals in Neuseeland als Trainer arbeitete, zur Kombination von Langlauf und Schießen.

Bormolini erkannte das Talent des jungen Mannes und brachte ihn im Alter von 14 Jahren dazu, zeitweise zu ihm und seiner Frau nach Livigno in Italien zu ziehen. Campbell vermisste im fernen Europa seine Familie, aber sein Mut zahlte sich aus. 2021 debütierte er im Weltcup, startete als zweiter neuseeländischer Biathlet der Geschichte ein Jahr später bei den Olympischen Winterspielen in Peking und wurde 2023 Juniorenweltmeister. Er war damit der erste Sportler von der Südhalbkugel, der jemals eine Medaille bei einem internationalen Biathlon-Wettbewerb gewann. »Er war immer der Einzelkämpfer, der Exot aus Neuseeland. Er wusste, dass er ein besonderes Talent hat, deshalb stand er irgendwann vor der Frage: Kann ich mit einem starken Team mehr erreichen?«, erzählt der deutsche Sportdirektor Felix Bitterling.

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Praktisch keine Unterstützung von Trainern oder medizinischer Abteilung, kein Staffel-Einsatz – das brachte Wright dazu, sich dem Team der USA anzuschließen. Seine Eltern sind US-Amerikaner, deshalb war sein endgültiger Wechsel ins Sternenbanner-Team im Jahr 2023 keine Überraschung mehr. Biathlon ist in den Staaten zwar auch ein Außenseitersport, aber zumindest gibt es unter dem Südtiroler Cheftrainer Armin Auchentaller ambitionierte Pläne. Bis 2030 will man eine olympische Medaille gewinnen.

Dank Campbell Wright könnte das sogar schon vier Jahre früher bei den Winterspielen in Mailand und Cortina gelingen. Zwei WM-Silbermedaillen haben sie jetzt schon und den perfekten Werbeträger für die Sportart gleich mit dazu. In Lenzerheide wanderte der telegene Shootingstar nach seinem zweiten Silberlauf in grünen Outdoor-Hosen von Interview zu Interview und ließ sich zwischendurch eine Banane schmecken. Die Antworten waren genauso cool wie der 22-Jährige selbst. »Holy Shit – ich habe mir gedacht, was passiert hier eigentlich? Ich kann ja mit den ganz großen Jungs wie Bø mithalten«, erzählte Wright ganz unbekümmert. »Das ist das Beste, was ich je geschafft habe. Und wir haben noch nicht einmal Halbzeit bei der WM.«

Für die Experten ist sein raketenartiger Aufstieg keine so große Überraschung. Wright hat sich in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt näher an die Weltelite herangetastet. Schon zum Weltcup-Auftakt in diesem Winter in Finnland verpasste er als Sprint-Vierter nur knapp einen Podestplatz. »Die beiden WM-Medaillen sind eine herausragende Leistung, aber sportlich keine Sensation. Campbell Wright schießt sehr gut und kann läuferisch in den dunkelroten Bereich gehen. Er ist ein richtiges Kampfschwein«, analysiert Bitterling die Stärken des Neuseeländers.

Das liegt ganz offenbar in seiner Familie. Der vier Jahre älterer Bruder Paul ist als Radrennfahrer international unterwegs und hatte großen Einfluss auf Campbell. »Mit Blick auf die enormen Anforderungen, denen man sich als Radprofi stellen muss, hat er zu mir gesagt: ›Campbell, du bist Biathlet. Du musst nicht hart arbeiten.‹ Ich glaube, er hat voll und ganz recht!« Humor hat er also auch noch, dieser Biathlon-Vulkan aus Neuseeland.

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