Goldbaggern am Río Napo

Mit schwerem Gerät und Quecksilber beuten Firmen die Amazonasregion in Ecuador aus. Die Umweltzerstörung ist enorm.

  • Knut Henkel, Tena
  • Lesedauer: 8 Min.
Die Bergbauunternehmen benutzen Bagger für ihre Goldsuche und zerfurchen die Landschaft – oft ist das illegal.
Die Bergbauunternehmen benutzen Bagger für ihre Goldsuche und zerfurchen die Landschaft – oft ist das illegal.

Nur wenige Kilometer vor dem Ortseingang befindet sich das eingezäunte Areal, auf dem 144 orangefarbene Bagger in mehreren Reihen stehen. Kaum ein bekannter Hersteller schwerer Baufahrzeuge ist nicht vertreten. »Anfang Februar 2022 haben Armee- und Polizeieinheiten rund um Yutzupino Ernst gemacht«, erklärt Danny Pedromo, Taxifahrer aus der ecuadorianischen Amazonasstadt Tena. »Mit einer sieben Tage andauernden Razzia haben rund tausend Uniformierte Bagger, Pumpen und anderes Gerät beschlagnahmt, um die Goldförderung zu bremsen.« Eine verwüstete und kontaminierte Landschaft haben die illegalen Bergbauunternehmen rund um die Flussläufe des Río Anzu und des Río Jatunyaku hinterlassen. Die beiden einst malerischen Flüsse treffen auf der Höhe des indigenen Dorfes Yutzupino aufeinander und fließen dann weiter in den Río Napo.

Der Río Napo ist der größte Fluss der ecuadorianischen Regenwaldregion und mündet in den Amazonas. Lange war er auch für die Trinkwasserversorgung wichtig. Aber das ist vorbei. »An den drei Flüssen waren in den letzten Jahren hunderte Bergarbeiter im Einsatz, die den Untergrund nach Gold durchwühlten und das Edelmetall mithilfe von Quecksilber vom Gestein trennten«, erzählt Sandra Rueda, Juristin und Parlamentsabgeordnete. »Sie haben die schweren Bagger eingesetzt, die in der Razzia von Polizei und Armeeeinheiten beschlagnahmt und auf dem Grundstück der Stadtverwaltung abgestellt wurden.«

Razzien gegen illegale Goldsucher wie jüngst in Comunidad San Isidro de Puni finden nicht oft statt.
Razzien gegen illegale Goldsucher wie jüngst in Comunidad San Isidro de Puni finden nicht oft statt.

Bis heute stehen sie da und rosten vor sich hin. Doch gestoppt haben die Behörden den Tagebau nicht. »Es wird weiter gefördert – mit neuem Gerät. Jetzt durchwühlen die Mineros die Flüsse weiter oben auf der Suche nach dem Edelmetall«, berichtet Rueda. Sie stammt aus der Kleinstadt Tena und setzt sich dafür ein, den Raubbau stärker zu bestrafen. »Gold gibt es häufig in Ecuadors Amazonasregion. Traditionell haben die indigenen Gemeinden das Metall mit einem Sieb aus den Sedimenten von Flüssen heraus geschürft.« Früher immer dann, wenn Geld benötigt wurde: zum Schulbeginn, zur Hochzeit oder um Beerdigungen von Angehörigen zu finanzieren. Im Unterschied zu heute aber mit dem Handsieb, ohne schweres Gerät und dem giftigen Quecksilber. Bei Menschen schädigt das Schwermetall vor allem das Nervensystem und die Nieren.

Dass die Flüsse kleine Nuggets mit sich führen, hat auch schon lange Begehrlichkeiten geweckt und illegale, aber auch legale Bergbauunternehmen auf den Plan gerufen. »Konzessionen hat der Staat in mehreren Wellen vergeben. Früher meist in abgelegenen Regionen, mittlerweile sind sogar Teile des Stadtgebiets von Tena, wo ich lebe, konzessioniert«, ärgert sich Sandra Rueda, die lange als Staatsanwältin für Umwelt- und Menschenrechtsdelikte gearbeitet hat. 2005 bekam sie die ersten Anzeigen wegen illegalen Goldbergbaus auf den Tisch. »Wir haben damals vor allem im Verwaltungsbezirk Carlos Julio Arosemena Tola zu tun gehabt, schweres Gerät beschlagnahmt, deren Besitzer verurteilt.«

Konzessionen für 7125 Hektar

Doch die kleinen Erfolge macht die Politik oft zunichte, weil sie in dem sensiblen Ökosystem Gebiete für den Bergbau freigibt. Obwohl das seit 2008 illegal ist. Damals wurde die neue ecuadorianische Verfassung verabschiedet, die der Natur Rechte zubilligt und die Verursacher von Umweltschäden zur Renaturierung verurteilt. »Das Problem ist nur, die Politik hält sich nicht dran, und die Justiz setzt die Rechte der Natur nicht durch«, ärgert sich Rueda. Für sie war Ende 2019, Anfang 2020 ein Wendepunkt erreicht, als bekannt wurde, dass die Regionalregierung von Tena Bergbau-Konzessionen für 7125 Hektar vergeben hatte – davon rund sechs- bis siebenhundert Hektar am Rande der Stadt Tena. Hunderte betroffene Anwohner kamen zu einem ersten spontanen Treffen, um den Widerstand gegen die illegale Vergabe von Land ohne jegliche Beteiligung der Bevölkerung zu koordinieren. Anwälte, Gastronomen, Hotel- wie Herbergsbetreiber, Tourismus-Guides und viele andere fanden sich ein, koordinierten sich, studierten Rechtstexte und legten Klage ein – gegen den Staat.

Der Protest hatte Erfolg, wie die einwöchige Razzia vor drei Jahren mit der Beschlagnahme von mehr als 140 Baggern belegt. Das war eine erste Reaktion auf die Kritik aus der Bevölkerung, die jeden Montag an der Brücke über den Río Tena gegen den Bergbau protestierte. Damals war unter Umweltschützern die Hoffnung groß, dass die Behörden dem illegalen, aber auch dem legalen Bergbau Grenzen aufzeigen, sagt Miriam Robles. Sie gehört seit Ende 2019 der Initiative »Napo ama la vida« (Napo liebt das Leben) an. »Wir wollen verteidigen, was noch geblieben ist«, erklärt Robles, die lange davon gelebt hat, Rafting-, Kanu- und Kajak-Fahrten auf den Flüssen anzubieten. Daran ist heute nicht mehr zu denken.

Die Flüsse sehen von einer Aussichtsplattform, die etwa zehn Kilometer von Tena entfernt kurz vor dem Dorf Yutzupino über dem Tal hängt, wie eine Mondlandschaft aus. Immer noch steigen hier und da die Dieselwolken der schweren Bagger auf, die Erdreich hin- und herschieben, um es nach Goldpartikeln zu durchsuchen. Kaum jemand in Tena glaubt daran, dass die illegal Goldsuchenden und das chinesische Bergbauunternehmen Terrearth Resources, das die offizielle Konzession innehat, die Landschaft wieder renaturieren werden. »So etwas hat es in Ecuador noch nie gegeben, obwohl es gesetzlich fixiert ist«, erklärt Sandra Rueda. »Napo ama la vida« hat zwar mehrere Klagen gewonnen, aber die Behörden sind schlicht untätig geblieben. Das hat Miriam Robles ihre Existenz gekostet, Rafting-Touren sind heute quasi unmöglich, und deshalb hat sich die 46-Jährige beruflich umorientiert. Sie hat gerade ein Restaurant in Tena aufgemacht. Doch letztlich weiß sie nicht, ob sie damit eine Zukunft hat. Ohnehin gibt es wegen der Sicherheitslage in Ecuador gerade weniger Touristen, zudem stellt sie sich die Frage, ob sie angesichts der Naturzerstörung noch mal nach Tena zurückkommen werden.

Einige Kollegen, Guides, Agenturbetreiber, aber auch Tourveranstalter haben sich auf Wanderungen im Dschungel, auf Trials und Besuche von Bio-Bäuerinnen verlegt. Aber ob das reichen wird, um die noch vor der Pandemie wichtigste Branche wieder auf die Beine zu bringen, weiß Miriam Robles nicht. »Die Corona-Pandemie hat uns gleich doppelt an den Rand der Existenz gebracht: weil im Tourismus nichts ging und weil der Goldbergbau vollendete Tatsachen schuf«. Mitverantwortlich dafür ist der ecuadorianische Staat, der in der Zeit eine Ausgangssperre verhängte und die Ärmsten der Armen, die indigene Bevölkerung, kaum unterstützte, obwohl sie ihre Produkte nicht auf den Märkten verkaufen konnten. »Hunger, bittere Not hielten damals in vielen indigenen Gemeinden Einzug, und einige wendeten sich der Goldförderung zu, nahmen die Angebote der Unternehmen an, ihr Camp auf ihrem Grundstück aufstellen zu lassen«, erzählt Sandra Rueda. Zwei bis dreitausend US-Dollar pro Hektar bieten die Mineros auch heute noch dafür. »Daran hat sich nichts geändert, es wird rund um die Uhr nach Gold gesucht. 40 Förderfronten gibt es derzeit rund um Tena«.

Die Situation ist dramatisch. Anfang Januar erreichte den Präsidenten Daniel Noboa ein Hilferuf aus den Dörfern Talag und San Carlos, nur wenige Kilometer von Tena entfernt. Die Bewohner baten um Unterstützung gegen den Bergbau, der sich in ihren Dörfern breitzumachen versuche. Antwort haben sie noch immer nicht erhalten, aber »Napo liebt das Leben« hat den Hilferuf gestreut und hofft auf eine Reaktion aus der Hauptstadt Quito. Die ist überfällig, denn Präsident Noboa hat im Oktober 2024 das Gesetzesdekret 435 verabschiedet, in dem er die Behörden anweist, Bergbauaktivitäten zu registrieren, zu dokumentieren und zu kontrollieren. Passiert ist seitdem aber nichts.

Quecksilber im Amazonas

Der Goldpreis liegt derzeit mit 2670 US-Dollar pro Unze so hoch wie fast noch nie. Der hohe Kurs heizt weltweit die Nachfrage nach dem Edelmetall an und sorgt dafür, dass nicht nur in Lateinamerika mit schwerem Gerät in Schutzgebiete eingedrungen wird, um Gold zu fördern. In der Amazonasregion sind die oft gut organisierten Goldsucher quasi omnipräsent: ob in Brasilien, Peru, Kolumbien oder Ecuador. Hier zählen sechs Provinzen des Landes zur Amazonasregion und anders als die Nachbarn hat Ecuador die Region zumindest auf dem Papier geschützt und der lokalen Bevölkerung ein Mitspracherecht bei der Vergabe von Konzessionen für den Bergbau eingeräumt.

»Das ist alles klar und eindeutig in der Verfassung von 2008 definiert und fixiert worden«, erklärt Alberto Acosta, ehemaliger Vorsitzender der Verfassungsgebenden Versammlung und zudem ehemaliger Bergbau- und Energieminister. Das zentrale Problem sei aber das Klüngeln zwischen illegalen und legalen Bergbauunternehmen sowie den staatlichen Behörden und Mandatsträgern. »Wir haben es mit zutiefst korrupten Strukturen und einer systematischen Missachtung der nationalen Gesetzgebung zu tun.«

Kriminalwissenschaftler wie Fernando Carrión halten den Justizapparat für zu schwach. Hinzu kommt, dass die organisierte Kriminalität im illegalen Goldgeschäft mitmischt. Carrión schätzt deren Umsatz in Ecuador bereits auf fünf Milliarden Dollar. Neben dem Drogengeschäft mit sechs Milliarden Dollar sei der Handel mit den Nuggets das zweite Standbein. In Kolumbien, Brasilien und anderen Staaten ist nicht anders. Allzu oft haben die Regierungen dem wenig entgegenzusetzen, auch weil die Kartelle überall lukrative Prämien zahlen; das sorgt für ein sorgsames Weggucken. Dabei tickt in der Amazonasregion eine toxische Zeitbombe. Denn die Quecksilberbelastung steigt in vielen Regionen – auch in Ecuador.

»Wir haben es mit zutiefst korrupten Strukturen und einer systematischen Missachtung der nationalen Gesetzgebung zu tun.«

Alberto Acosta 
Ehemaliger Bergbau- und Energieminister
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.