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Indonesien folgt Australiens Vorbild
Jakarta plant Mindestalter für soziale Medien
Die Motivation der indonesischen Regierung liegt auf der Hand: Kinderschutz und die zahlreichen unangemessenen Inhalte, mit denen die Jugendlichen konfrontiert sein könnten – seien es pornografische bis hin zu radikalen Inhalten. Deswegen will Indonesien die Nutzung sozialer Medien für junge Menschen einschränken, wie es Australien bereits vorgemacht hat. Die Ministerin für Kommunikation und Digitales, Meutya Hafid, hatte die Pläne erstmals im vergangenen Monat vorgetragen, ohne jedoch ein konkretes Mindestalter zu nennen. In Australien wurden 16 Jahre als Mindestalter für den Zugriff auf soziale Medien festgelegt.
Wegen unangemessenen Inhalten waren in Indonesien sowohl die Kurzvideo-Plattform Tiktok wie auch der Streamingdienst Netflix zeitweise schon blockiert worden. 2022 legte sich Jakarta zudem bereits mit Facebook, X (damals Twitter), Instagram und Google an und verlangte, dass diese, falls sie sich nicht beim Kommunikationsministerium registrieren ließen, gesperrt würden. Alle meldeten sich vor Ablauf der Frist an.
Vor allem junge Frauen nutzen soziale Netzwerke
Obwohl auch heute schon Inhalte blockiert und manche Medien eingeschränkt sind, »hat das Internet den Alltag der meisten Indonesier revolutioniert und ist gut in ihre täglichen Aktivitäten integriert«, heißt es bei Statista. Mit mehr als 185 Millionen Internetnutzerinnen und -nutzern ist Indonesien eines der Länder mit den meisten weltweit. Im Januar 2024 belegte der Inselstaat nach China, Indien, den Vereinigten Staaten und Brasilien den fünften Platz. 139 der insgesamt 280 Millionen Indonesierinnen und Indonesier nutzen dabei soziale Medien.
Laut der Statistikexperten sind Tiktok und Instagram die beliebtesten Social-Media-Plattformen mit jeweils über 110 Millionen Nutzern, wobei die Mehrheit davon junge Frauen sind. »Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Identitätsbildung und Resilienz junger muslimischer Frauen in Indonesien, insbesondere in kritischen Übergangsphasen ihres Lebens«, schreibt Nuri Veronika, Dozentin für Politik und internationale Beziehungen an der australischen Monash University. Für viele junge Frauen seien soziale Medien mehr als nur eine digitale Plattform; »Sie sind ein Rettungsanker, der ihnen hilft, die Herausforderungen des Erwachsenenlebens zu meistern.«
Wie versiert die Indonesier im Internet sind – zeigt sich daran, dass es für fast alle Bedürfnisse Apps und Online-Angebote gibt, über die die Bewohner und Bewohnerinnen ihr Leben steuern können: Neben Essensbestellungen, Fahrdiensten und Bankdienstleistungen werden auch teils bizarre Internettrends angeboten. Ein Beispiel ist der Trend, seinen Partner auf die Probe zu stellen und online einen sogenannten »Treuetest« zu bestellen. Bei diesen Tests wird jemand übers Internet engagiert, um mit dem Partner oder der Partnerin zu flirten und über dessen oder deren Reaktionen zu berichten. Die Methoden variieren und reichen von SMS und Anrufen spät in der Nacht bis hin zu persönlichen Treffen.
Ein weiteres Internetangebot, das sich teils auch in anderen asiatischen Ländern etabliert hat, sind sogenannte Partnerverleihdienste wie Rentmate.id. Hier können Kunden jemanden für ein romantisches Date engagieren, der während eines Films Händchen hält, per SMS flirtet und sogar mit einem telefoniert, bis man einschläft. Solche »gemieteten« Partner können auch zu offiziellen Veranstaltungen wie Abschlussfeiern und Hochzeiten mitgebracht werden, um unangenehmen Fragen zum Single-Dasein auszuweichen.
Mehr Kinderschutz ist notwendig
Während derartige Angebote zwar seltsam anmuten, meist aber harmlos sind, gibt es beim Kinderschutz durchaus ernsthaftere Bedenken: Laut eines Berichts der lokalen »Jakarta Post« berichtete das Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC), dass in Indonesien seit 2020 über fünf Millionen Kinderpornografie-Inhalte gefunden wurden. Zudem meldete das Zentrum für Berichte und Analysen von Finanztransaktionen (PPATK), dass mindestens 80 000 Kinder unter zehn Jahren im Land Online-Glücksspielen ausgesetzt sind. Mehrere Technologieunternehmen haben deswegen auch schon ihre Bereitschaft bekundet, mit der indonesischen Regierung zusammenzuarbeiten, um grundsätzlich ein sichereres digitales Umfeld für Kinder zu schaffen.
Trotzdem bezweifelt Nuri Veronika, dass die Lösung, den Zugang zu sozialen Medien zu beschränken, die richtige ist. Laut der Forscherin bieten diese als digitale Räume auch »Schutz und Freundschaft«. »Indonesiens geplante Beschränkungen für soziale Medien bergen die Gefahr, junge Nutzer, insbesondere Frauen, zu entfremden, indem sie sie von wichtigen Online-Communitys abschneiden, die ihre Identität prägen und ihnen Unterstützung bieten«, so die Forscherin. Statt Verbote zu erlassen, wäre in ihren Augen ein effektiverer Ansatz, auf digitale Kompetenz, psychische Unterstützung und gezielte Interventionen zu setzen, um beispielsweise Online-Radikalisierung zu verhindern.
»Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Identitätsbildung und Resilienz junger muslimischer Frauen in Indonesien.«
Nuri Veronika Universitätsdozentin
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