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Israel und Hamas werfen sich Gefährdung der Waffenruhe vor
Zehntausende bei Beerdigung von Hisbollah-Chef Nasrallah in Beirut
Jerusalem. Nach der siebten Geiselfreilassung am Samstag hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die »demütigenden« Hamas-Inszenierungen angeprangert und die geplante Freilassung palästinensischer Häftlinge vorerst gestoppt. Es sei entschieden worden, die für Samstag geplante »Freilassung von Terroristen zu verschieben, bis die Freilassung der nächsten Geiseln ohne demütigende Zeremonien sichergestellt ist«, teilte Netanjahus Büro am Sonntag mit. Die radikalislamische Hamas warf Israel eine Gefährdung der Waffenruhe vor.
Die Hamas hatte am Samstag sechs von ihr als Geiseln im Gazastreifen festgehaltene Menschen freigelassen. Am Morgen übergaben die Islamisten zunächst in Rafah den äthiopisch-stämmigen Israeli Avera Mengistu und den österreichisch-israelischen Doppelstaatler Tal Shoham, später folgte die Freilassung von Eliya Cohen, Omer Shem Tov und Omer Wenkert in Nuseirat. Eine sechste Geisel, der israelische Beduine Hischam al-Sajed, wurde schließlich in einer nicht öffentlich inszenierten Übergabe freigelassen.
Geiseln werden von der Hamas vorgeführt
Vor ihrer Freilassung wurden die Geiseln am Samstag in Rafah wie auch in Nuseirat von vermummten Hamas-Kämpfern auf Bühnen vorgeführt und von diesen gezwungen, den dort ebenfalls versammelten schaulustigen Zivilisten zuzuwinken. Das Spektakel wurde begleitet von einem Großaufmarsch schwerbewaffneter Hamas-Kämpfer.
Den Geiseln wurden auf einer Bühne als »Zertifikate« gekennzeichnete Schreiben auf Hebräisch ausgehändigt. Anschließend mussten sie sich auf der Bühne öffentlich äußern. Erst dann wurden sie zu Fahrzeugen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) eskortiert. Das IKRK übergab die Freigelassenen schließlich in israelische Obhut.
Israel verschiebt Freilassung von Palästininensern
Derweil zwang die Hamas zwei weitere Geiseln, die weiterhin gefangen gehalten werden, sich die Geisel-Übergaben als Zuschauer anzusehen. In einem von den Islamisten veröffentlichten Video ist zu sehen, wie die beiden jungen Männer Netanjahu anflehen, ihre Freilassung zu erwirken. »Wir wollen nur, dass es aufhört«, sagen sie.
Eigentlich sollte Israel im Gegenzug im Rahmen des geltenden Waffenruhe-Abkommens am Samstag rund 620 palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freilassen – darunter auch dutzende Inhaftierte, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren. Kurz nach der Geisel-Übergabe erklärte Netanjahus Büro am Sonntag jedoch, die geplante Freilassung palästinensischer Häftlinge vorerst zu pausieren.
Gegenseitige Vorwürfe
Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte der hochrangige Hamas-Vertreter Bassem Naim am Sonntag, Israel setze durch sein Handeln »das gesamte Abkommen großer Gefahr« aus. Naim rief die Vermittler in dem Konflikt, »insbesondere die USA«, dazu auf, Israel dazu zu drängen, »das Abkommen so umzusetzen, wie es ist«.
Zuletzt hatte die Übergabe einer falschen Leiche durch die Hamas in Israel für Aufregung gesorgt. Bei der Übergabe der sterblichen Überreste von vier israelischen Geiseln am Donnerstag enthielt ein Sarg nicht wie angekündigt die Leiche von Shiri Bibas. Stattdessen lag darin eine nicht bekannte Frauenleiche. Erst am Freitag erhielt Israel dann vom Roten Kreuz die Nachricht, dass die Hamas den Leichnam der Deutsch-Israelin übergeben habe.
Hisbollah verabschiedet mit Massenzeremonie ehemaligen Führer
In der libanesischen Hauptstadt Beirut hat die Hisbollah-Miliz fünf Monate nach seiner Tötung durch das israelische Militär Abschied genommen von ihrem langjährigen Anführer Hassan Nasrallah. Mit der Zeremonie wollte die Hisbollah zugleich Stärke demonstrieren. Mehr als 50 000 Menschen aus dem Libanon und anderen Ländern kamen, um Nasrallah zu verabschieden. Israels Armee griff gleichzeitig – trotz der geltenden Waffenruhe – Ziele im Libanon an und ließ während der Zeremonie Kampfjets und Drohnen über Beirut fliegen. Agenturen/nd
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