Macron macht mit Trump auf »Bons Amis«

Frankreichs Präsident sucht nach Schnittmengen mit seinem US-Konterpart

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Ziemlich beste Freunde: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (l.) und US-Präsident Donald Trump erfreuen sich der Weltlage.
Ziemlich beste Freunde: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (l.) und US-Präsident Donald Trump erfreuen sich der Weltlage.

An der Männerfreundschaft zwischen Donald Trump und Emmanuel Macron gibt es keinen Zweifel, aber auch nicht an der transatlantischen Kluft, was die Positionen im Ukraine-Krieg angeht. Bei all der demonstrativen Herzlichkeit zwischen dem US-Präsidenten und seinem französischen Gast hielt sich die Übereinstimmung in Grenzen: Sie erklärten, dass ein alsbaldiger Frieden in der Ukraine »nötig und möglich« sei. Doch das war es auch schon. Zwischen beiden Seiten gibt es weiter tiefgreifende Differenzen über den Krieg, der sich an diesem 24. Februar zum dritten Mal jährte, und vor allem über die Schuld an seinem Beginn. Während Trump die Rolle Putins herunterspielte und behauptete, nach einem Waffenstillstand werde sich Russland »von der Ukraine abwenden und zum Alltag zurückkehren«, betonte Macron die Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien für die Ukraine, damit Russland nicht erneut zuschlagen kann. Der Friedensschluss dürfe »nicht die Kapitulation der Ukraine bedeuten«, unterstrich der französische Präsident, während sein US-Kollege dazu bezeichnenderweise schwieg.

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Trump glänzt mit Fake Facts

Bei dem Treffen wirft der US-Präsident einmal mit falschen Zahlen um sich: Die USA hätten die Ukraine mit 300 Milliarden Dollar unterstützt, Europa nur 100 Milliarden Dollar »Kredite« gegeben, die es zurückerhalten werde, beklagt er sich. An diesem Punkt sieht sich Macron zu einer Korrektur des US-Präsidenten vor laufenden Kameras im Oval Office veranlasst. Er legt Trump die Hand auf den Arm, um eine Gegendarstellung loszuwerden: Europa habe »60 Prozent der gesamten Hilfe« für die Ukraine geleistet. Auch handle es sich nicht nur um Kredite, sondern teils auch um Zuschüsse.

Macron kommt Trump weit entgegen, indem er versichert, europäische Länder, allen voran Frankreich und Großbritannien, seien zur Entsendung von Friedenstruppen bereit. »Wir brauchen eine amerikanische Absicherung«, sagte der französische Präsident. »Nur wenn man stark ist und Abschreckungsmöglichkeiten hat, wird das Abkommen respektiert.« Macron bemüht sich vergeblich um eine entsprechende Zusage Trumps. Stattdessen behauptete Trump, Putin habe auf seinen Wunsch einer Stationierung von Friedenstruppen bereits zugestimmt. In Moskau wurde das dementiert.

Dagegen ging der US-Präsident mit keinem Wort auf die historische Zusammenarbeit der USA und Europas und die Verteidigung ihrer gemeinsamen Werte ein. Sein Interesse beschränkte sich auf drei Themen: ein Abkommen mit der Ukraine über die Lieferung von Mineralien, einen Waffenstillstand, um »das Blutbad zu beenden«, für das Trump Putin nicht verantwortlich macht, sowie die Pflicht der europäischen Länder, finanziell und militärisch selbst für die europäische Sicherheit zu sorgen. Damit gewinnt Macrons wiederholt gemachtes Angebot an die europäischen Partnerländer, den französischen Atomschirm mit ihnen zu teilen, wieder an Aktualität.

USA und Russland in der UN-Vollversammlung isoliert

Zum Zeitpunkt der Gespräche von Trump und Macron in Washington wurde bei der Uno-Vollversammlung in New York aus Anlass des dritten Jahrestages des Ukraine-Krieges mit großer Mehrheit eine Resolution verabschiedet, in der der Konflikt verurteilt, Russland als Schuldiger genannt und aufgefordert wird, seine Truppen umgehend zurückzuziehen. Die USA, die sich ebenso wie Russland der Stimme enthielten, waren hier ziemlich isoliert. Stunden später wurde vom UN-Sicherheitsrat noch eine zweite Resolution zum selben Thema verabschiedet, die von den USA eingebracht und von Russland und China unterstützt wurde. Darin wird ohne jegliche Wertung des Ukraine-Krieges der »Verlust von Menschenleben« bedauert, so, als handele es sich um ein Naturereignis. Hier haben sich Frankreich und die vier weiteren europäischen Mitglieder des Sicherheitsrates der Stimme enthalten. Dass die USA gemeinsam mit Russland für diese Resolution gestimmt haben, gibt einen Vorgeschmack auf das sich abzeichnende Zusammenwirken von Donald Trump und Wladimir Putin.

In Vorbereitung auf das Treffen in Washington hatte Präsident Emmanuel Macron zusammen mit Premier François Bayrou Ende der vergangenen Woche die führenden Repräsentanten der im Parlament vertretenen Parteien zu einem Gedankenaustausch ins Élysée eingeladen. Im Mittelpunkt stand eine Analyse der internationalen Lage seit der Amtsübernahme durch US-Präsident Donald Trump. Einleitend legten Vertreter des Generalstabs und der Geheimdienste dar, welch »existenzielle Gefahr« für Frankreich und Europa Russland und seine scharfmacherische Militärpolitik, seine Hochrüstung und nicht zuletzt sein »hybrider Krieg« darstellt. Bei dem wird mithilfe von Falschmeldungen, Hackerangriffen im Internet sowie Einmischung bei Wahlen in anderen Ländern, aber auch mit dem Einsatz der Migration als Waffe Einfluss genommen.

Präsident Emmanuel Macron legte in seinen Ausführungen den Tenor auf die Notwendigkeit, in Frankreich und der EU durch die Umstellung auf eine »Kriegswirtschaft« zu kompensieren, dass die Nato durch die Kurswende der USA an Bedeutung verliert und dass Trump die Ukraine im Stich lässt und praktisch an Putin auszuliefern bereit ist. Er ist als erster europäischer Staatenlenker nach Washington geeilt, nachdem der US-Präsident die bisherige Ukraine-Politik seines Landes über den Haufen geworfen und Kreml-Chef Wladimir Putin Avancen gemacht hat. »Ich mache Deals. Ich habe mein ganzes Leben lang Deals gemacht, das ist alles, was ich kann«, sagte Trump auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron. Über die Details wird weiter gefeilscht.

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