Jarl Magnus Riiber: »Der beste Kombinierer aller Zeiten«

Jarl Magnus Riiber triumphiert trotz seiner Morbus-Crohn-Erkrankung

  • Lars Becker, Trondheim
  • Lesedauer: 4 Min.
Glücklich: Jarl Magnus Riiber
Glücklich: Jarl Magnus Riiber

Wie ein Gladiator stand Jarl Magnus Riiber mit erhobenen Armen hinter der Ziellinie im Granasen-Skistadion von Trondheim. Er genoss minutenlang den Jubel von insgesamt 50 000 Norwegern, die seinen Triumph beim Compact-Einzelrennen fanatisch feierten. Es war Riibers zweite Goldmedaille bei der Heim-Weltmeisterschaft nach dem Mixed-Triumph am Freitag. In seinen Augen standen Tränen, denn dieses Großereignis in Norwegen wird für den unumstrittenen König der Nordischen Kombinierer das letzte sein. Der erst 27 Jahre alte Mann leidet unter der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn und wird nach der Saison seine Karriere beenden.

»Erster zu werden war sehr emotional. Ich habe so viel geopfert und habe seit Oktober nur eine Woche richtig Zeit mit meiner Familie verbracht. Das ist viel zu wenig«, sagte Riiber nach dem Triumph. In den vergangenen Monaten hatte er sich fast permanent von seiner Partnerin Sunna Margret Tryggvadottir und den gemeinsamen Kindern Ronja (4) und Birk (bald ein Jahr alt) isoliert. Es war die Voraussetzung dafür, um noch einmal bei seiner letzten WM erfolgreich zu sein. Riibers ohnehin anfälliges Immunsystem wird durch die Medikamente gegen Morbus Crohn zusätzlich geschwächt, jeder Infekt hätte ihn im Kampf um Gold hoffnungslos zurückgeworfen.

»Es wissen nur wenige, wie viele Opfer es mich gekostet hat, der beste Kombinierer der Welt zu werden. Ich hatte in meiner Karriere zahlreiche Verletzungen – kaputte Knöchel und Knie, achtmal die Schulter ausgekugelt, schwache Lungen, Schmerzen und noch vieles mehr«, hat Riiber vor ein paar Wochen erzählt. Als er die Diagnose Morbus Crohn erhielt, fügte sich das Puzzle seiner zahlreichen Erkrankungen der letzten Jahre zusammen. Die chronische Entzündung beeinträchtigt das Immunsystem massiv, kann auch zu Glieder- und Sehnenschmerzen bis hin zu Depressionen führen.

»Es war noch nie so schlimm wie seit Oktober vergangenen Jahres. Da hat mein Körper dichtgemacht und einfach nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Ich war einfach nicht mehr der gleiche Athlet wie im vergangenen Winter«, erzählt Riiber über seinen Kampf gegen die Krankheit.

Noch niemand in der Geschichte des Winterzweikampfs hat wohl je so dominiert wie der 78-malige Weltcup-Sieger, der vor allem dank überragender Sprungleistungen die Konkurrenz beherrschte. In dieser Saison kassierte der »Außerirdische« Riiber nach seiner Morbus-Crohn-Diagnose aber auch bittere Niederlagen, vor allem durch den Deutschen Vinzenz Geiger.

»Meine Medizin hilft mir, die Krankheit zu bekämpfen«, so Riiber: »Aber ich kämpfe, um die Balance zu finden.« Bei der WM in Trondheim ist ihm das gelungen. Im Einzelrennen rang er im Zielsprint seinen norwegischen Nachfolger Jens Luras Oftebro und Bronzegewinner Geiger nieder. Geiger gönnt es ihm: »Ich freue mich, wenn ich ihn ärgern kann. Aber es gibt keine Diskussion: Jarl ist der Beste aller Zeiten«, sagte der deutsche Olympiasieger über seinen großen Konkurrenten Riiber. Allerdings wird Riiber als mit zehn WM-Titeln erfolgreichste Kombinierer aller Zeiten dennoch ein Unvollendeter bleiben – ein Olympiasieg fehlt ihm in seiner einzigartigen Trophäen-Sammlung.

»Das ist mir egal«, hat Riiber dazu bei seiner Rücktritts-Pressekonferenz gesagt und sein Motivations-Geheimnis verraten: »Was mich für die Nordische Kombination angetrieben hat, war Eric Frenzel und sein gelbes Trikot. Das war mir in meiner Karriere am wichtigsten. Das war es, was mich motivierte, zwei-, dreimal am Tag rauszugehen und zu trainieren, um der beste Athlet der Welt in der Nordischen Kombination zu werden.« Der dreimalige Olympiasieger Frenzel war mit sieben WM-Titeln vor Riiber der erfolgreichste Winterzweikämpfer und feierte fünf Gesamtweltcup-Siege. Riiber hat den Deutschen auch in dieser für ihn wichtigsten Wertung der großen Kristallkugeln inzwischen eingeholt und wird sich nach der WM mit Vinzenz Geiger um seinen historischen sechsten Gesamtweltcup-Sieg duellieren.

Eric Frenzel ist inzwischen Bundestrainer. Wenn man ihn nach Riiber fragt, spürt man die große Konkurrenz der zwei Legenden, die sinnbildlich für das ewige Duell zwischen Norwegen und Deutschland in der Nordischen Kombination steht. »Jarl hat die Sportart auf ein neues Niveau gehoben. Er ist fanatisch und macht vieles richtig«, kommentierte Frenzel in Trondheim.

In Frenzels Worten klingt durch, dass Riiber in der Szene nie unumstritten war. Er lotete die Grenzen des Erlaubten in Sachen Material wie im vergangenen Winter mit seinem übergroßen Sprunganzug oft mehr als aus. Doch auch das gehört wohl dazu, um ein Ausnahmeathlet wie er zu werden.

So radikal wie Riiber mit seiner Gesundheit und der Konkurrenz umgeht, war auch seine Rücktritts-Verkündung. »Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen. Die Olympiasaison hätte noch mehr Opfer erfordert und die Chancen standen nur 50:50, dass mein Körper noch ein weiteres Jahr funktioniert.« Selbst Partnerin Sunna war über die Entscheidung ihres extrem ehrgeizigen Mannes »sehr überrascht«, wie Riiber verraten hat. Er erlebt in diesen Tagen nach dem wohl schwierigsten Entschluss seines Lebens sein persönliches Happyend – als Gladiator von Trondheim.

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