Hamburg: Mal wieder ein Erfolgserlebnis für die SPD

Anders als im Bund bleibt den Sozialdemokraten in Hamburg der Absturz erspart / Linke schneidet stark ab

  • Lesedauer: 5 Min.
SPD-Anhänger freuen sich bei der Wahlparty über das Ergebnis der Hamburger Partei.
SPD-Anhänger freuen sich bei der Wahlparty über das Ergebnis der Hamburger Partei.

Hamburg. SPD und Grüne können trotz starker Stimmenverluste voraussichtlich ihre Koalition in Hamburg fortsetzen. Bei der Bürgerschaftswahl in dem Stadtstaat wurde die SPD von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher erneut stärkste Kraft. Mit deutlichem Abstand liefern sich Grüne und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei. Die Sozialdemokraten können zwischen beiden als Koalitionspartner wählen, hatten vor der Wahl aber die Grünen klar favorisiert. Erstarkt geht die Linkspartei aus den Wahlen hervor. Auch die AfD konnte zulegen. FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) scheitern deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Abstimmung in der Hansestadt ist nach derzeitigem Stand die einzige Wahl auf Landesebene in diesem Jahr.

Nach den Prognosen von ARD und ZDF (18 Uhr) kommt die SPD auf 33,5 bis 34,5 Prozent (2020: 39,2 Prozent). Die Grünen von Spitzenkandidatin und Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank büßten ebenfalls ein auf nunmehr 17,5 bis 20 Prozent nach ihrem Rekordergebnis von 2020 (24,2 Prozent). Die CDU von Spitzenkandidat Dennis Thering konnte sich hingegen mit dem Rückenwind der kürzlich gewonnenen Bundestagswahl aus ihrem historischen Tief (2020: 11,2 Prozent) befreien und landet nun bei 19,5 bis 20 Prozent. 

Die Linke steigerte sich in beiden Prognosen auf 11,5 Prozent (2020: 9,1 Prozent). Parteichef Jan van Aken lobte in einer ersten Reaktion das »perfekte Teamwork« im Hamburger Wahlkampf. Das Ergebnis der Bürgerschaftswahl beweise: »Das Comeback geht weiter«. Die Linke habe zwar auch Glück gehabt, zuletzt aber auch sehr viel richtig gemacht. Das Ergebnis habe viel damit zu tun, dass die Partei über Themen spreche, die die Menschen bewegten, betonte van Aken. So habe die Linke im Wahlkampf immer wieder die Mieten nach vorne gestellt.

Die AfD liegt bei 7 bis 8,5 Prozent (2020: 5,3 Prozent). Die FDP scheiterte laut ARD-Prognose mit 2,3 Prozent (4,97) diesmal sogar deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Das BSW schaffte es laut ARD-Zahlen bei seinem ersten Anlauf in Hamburg mit 2,1 Prozent nicht ins Landesparlament. Das ZDF wies für beide Parteien keine gesonderten Zahlen aus. 

Rund 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger ab 16 Jahren waren wahlberechtigt. Das Landesparlament hat regulär 121 Sitze. Die Zahl kann durch Überhang- und Ausgleichsmandate sowie erfolgreiche Einzelbewerber steigen. Landespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf, insbesondere die Verkehrsprobleme in der Stadt und der Wohnungsbau angesichts des Mangels an bezahlbarem Wohnraum. Daneben spielten auch die Migration und die Ankurbelung der durch den Hafen geprägten Wirtschaft eine wichtige Rolle. 

Wer will mit wem?

Die Zeichen in Hamburg stehen auf »weiter so«. Die wahrscheinlichste Regierungsvariante ist die Fortsetzung der seit 2015 bestehenden rot-grünen Koalition – die Regierungsmehrheit ist aber weniger komfortabel als bisher. Seit 2020 verfügten beide Fraktionen im Rathaus sogar über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Das ist nun nicht mehr so. Regierungschef Tschentscher hatte vor der Wahl eine Fortsetzung der Koalition mit den Grünen als erste Priorität genannt. Hamburg gilt seit Langem als eine Hochburg der Sozialdemokraten.

Rechnerisch würde es auch für ein Bündnis mit der CDU reichen. Eine Koalition mit den Christdemokraten schließt Tschentscher zwar nicht aus, sprach ihr aber die Regierungsfähigkeit ab. Mit den erstarkten Linken möchte er nicht zusammenarbeiten, wahrscheinlich würde eine Mehrheit dafür auch knapp fehlen.

Tschentscher steht seit 2018 an der Spitze der Hamburger Politik. Damals war der heute 59-Jährige noch relativ unbekannt in der Hansestadt und stand im Schatten seines Vorgängers, dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz, der damals ins Finanzministerium nach Berlin wechselte. Die Scholz-Jahre in Hamburg waren noch goldene für die Sozialdemokraten. Von 2011 bis 2015 reichte es sogar für eine Alleinregierung.

Für den bisherigen Juniorpartner dürfte das Ergebnis nach dem Rekord von 2020 und den Verlusten auf Bundesebene eine Enttäuschung sein. Hamburgs Wissenschaftssenatorin Fegebank war als Spitzenkandidatin der Grünen angetreten und setzt auf eine Neuauflage von Rot-Grün. Eine Koalition von SPD und CDU bedeute Stillstand und sei nicht gut für Hamburg, hatte sie kurz vor der Wahl immer wieder gewarnt. 

CDU-Spitzenkandidat Thering (40) hofft hingegen genau darauf und sagte vor der Abstimmung, die SPD habe die Wahl. Trotz Stimmenzuwachs bleiben seiner Partei womöglich erneut nur die Oppositionsbänke. Für ein Zusammengehen mit den Grünen reicht es nicht, Thering hatte dies vor der Wahl auch ausgeschlossen. 

Bundespolitisch keine Verschiebung

Erst am vergangenen Sonntag war die vorgezogene Bundestagswahl, nun mussten die Hamburgerinnen und Hamburger schon wieder wählen. Während am 23. Februar die Wahlbeteiligung bei 80,8 Prozent lag, zeigt sich auch auf Landesebene deutlich mehr Interesse. Bis 16 Uhr hatten rund zwei Drittel der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben. 2020 lag die Wahlbeteiligung am Ende bei 63 Prozent.

Eine Woche nach der Bundestagswahl ist die Aussagekraft über Hamburg hinaus begrenzt. Im Bundesrat – Hamburg hat hier 3 der 69 Stimmen – ändert sich nichts, sollte es bei Rot-Grün bleiben. SPD und Grüne dürften trotz Stimmenverlusten darauf verweisen, dass Rot-Grün kein Auslaufmodell ist. Die Hamburger SPD konnte sich vom Bundestrend ein Stück weit abkoppeln und ist im Stadtstaat doppelt so stark wie im neuen Bundestag. CDU und AfD freuen sich über Stimmenzuwachs auch auf Landesebene. 

Sollten Union und SPD im Bund zu einer Koalition zusammenkommen, müssen sie bis weit ins kommende Jahr keine Rücksicht mehr auf Landtagswahlen nehmen. Hamburg war die einzige Abstimmung auf Landesebene in diesem Jahr.  dpa/nd

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