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Täter von Mannheim mit extrem rechter Vergangenheit

Der Tatverdächtige Alexander S. stand mit der Neonazigruppe »Ringbund« in Verbindung. Ermittler sehen weiterhin keine Hinweise auf politisches Motiv

Am Montag tötete der Reihnland-Pfälzer Alexander S. bei einem Auto-Attentat in Mannheim zwei Menschen.
Am Montag tötete der Reihnland-Pfälzer Alexander S. bei einem Auto-Attentat in Mannheim zwei Menschen.

Obwohl der Tatverdächtige des Mannheim-Attentats, Alexander S., der Polizei aufgrund eines rechten Hate-Speech-Delikts bekannt war, sah der leitende Mannheimer Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler am Montagabend keine Hinweise auf ein politisches Motiv. Deshalb wolle man sich in den Ermittlungen vor allem auf den Verdacht einer psychischen Krankheit konzentrieren, kündigte Schüssler am Montag an.

Statt der zuständigen Ermittlungsbehörden haben andere die Recherche nach einem politischen Motiv in die Hand genommen: Nach Informationen, die das antifaschistische Recherchenetzwerk Exif am Dienstagabend veröffentlichte, soll der Tatverdächtige Teil der rechtsextremen Gruppe »Ringbund« gewesen sein – einer von Neonazis geführten Gruppe aus dem Spektrum der Reichsbürger.

Bei den Anführern der Gruppe handele es sich um dieselben Personen, die auch einem Waffenhandelsring angehörten: Bernd Zimmermann und Alexander Reichl aus Neubiberg. »Alexander Scheuermann, der Täter aus Mannheim, taucht wiederum in einer Personenliste von Bernd Zimmermann auf«, so Exif. In dieser Liste, die 2018 angelegt worden sei, seien verschiedenen Personen Nummern zugeordnet und Informationen in Kategorien festgehalten. »Alexander Scheuermann hat die Personennummer 000415 und folgende Einträge: ›Nickname: Alex Geb. Datum: 05.02.1985 Zuordnung: RB Ringbund‹«, heißt es in der Recherche weiter.

Außerdem enthält die Exif-Recherche mehrere Fotos, die Alexander S. im Oktober 2018 bei einem Neonazi-Aufmarsch der Gruppe »Wir für Deutschland« unter Mitorganisation der Berliner NPD zeigen. Dabei trägt S. eine Deutschlandflagge um seinen Körper.

Wie lange und in welcher Kapazität der Mannheim-Tatverdächtige in den rechtsextremen Netzwerken aktiv war, ist unbekannt. Auch aus seiner Social-Media-Präsenz lässt sich nicht sicher feststellen, ob er sich nach 2018, dem Jahr, in dem er mit der Gruppe »Ringbund« involviert war, wieder vom rechtsextremen Milieu distanziert hat. Im Dezember 2020 teilte S. etwa ein Video, in dem ein Künstler Neonazi-Symbole übermalt, und kommentierte dies mit den Worten »saugeil«. 2021 veröffentlichte der Rheinland-Pfälzer wiederum ein Foto, auf dem im Hintergrund ein Kissen mit der Beschriftung »Odin statt Jesus« zu sehen ist – ein Spruch aus der rechtsextremen Szene.

Trotz der neuen Erkenntnisse halten die Mannheimer Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Mittwoch an der Position fest, es gebe keine Hinweise auf ein politisches Motiv. »Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen gibt es weiterhin keine Anhaltspunkte dafür, dass der konkreten Tat ein extremistisches oder politisches Motiv zugrunde lag«, heißt es darin. Gemäß den bislang vorliegenden Erkenntnissen, bestehend aus umfangreichen ärztlichen Unterlagen und einer Vielzahl sich gegenseitig bestätigender Zeugenaussagen, sei davon auszugehen, dass bei dem Tatverdächtigen seit vielen Jahren eine psychische Erkrankung vorliege.

»Hinweise auf mögliche Kontakte des 40-jährigen Mannes ins rechtsextreme Milieu im Jahr 2018 sind den Ermittlungsbehörden bekannt und stehen ebenfalls im Fokus der Ermittlungen«, heißt es gleichzeitig seitens der Ermittlungsbehörden. Abfragen bei verschiedenen Nachrichtendiensten hätten allerdings zu keinen extremismusrelevanten Rückmeldungen geführt, so Staatsanwaltschaft und LKA weiter. »Auch bei den bisher gesichteten Asservaten konnten bislang keinerlei Anhaltspunkte für eine extremistische Gesinnung des Tatverdächtigen gefunden werden.« Die Auswertung werde aktuell intensiv fortgeführt.

Bei dem Auto-Attentat starben eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann. Hunderte Meter raste der 40-jährige Alexander S. mit seinem Auto durch die Fußgängerzone in Mannheim. Die Anzahl der verletzten Personen hat sich nach Angaben der Mannheimer Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich auf 14 erhöht, darunter befindet sich ein zweijähriges Kind.

Gegen den Tatverdächtigen war am Dienstagabend Haftbefehl wegen zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes erlassen worden. Bei seiner Vorführung beim Haftrichter machte er laut LKA keine Angaben.

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