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Starker Rückgang bei Asylanträgen
Zahl der Gesuche in den ersten beiden Monaten des Jahres um 43 Prozent gesunken
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, sinkt. Wie aus Regierungskreisen bekannt wurde, nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den ersten zwei Monaten dieses Jahres 26 674 Erstanträge und 3273 Folgeanträge entgegen. Damit lag die Zahl der Erstanträge zwischen Anfang Januar und Ende Februar um rund 43 Prozent unter dem Wert des Vorjahreszeitraums. Die meisten Anträge stellten erneut Menschen aus Syrien. Im Januar wurden zugleich den Angaben zufolge 1733 Ausreisepflichtige abgeschoben. Das sind 31 Prozent mehr als im Januar des Vorjahres.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht im Rückgang der Asylzahlen eine Bestätigung dafür, dass die von der Koalition beschlossenen Gesetzesverschärfungen und die von ihr angeordneten stationären Grenzkontrollen Wirkung zeigen. »Wir haben die irreguläre Migration stark zurückgedrängt«, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Gleichzeitig schiebe Deutschland mehr Menschen ab, die kein Bleiberecht haben.
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Im gesamten vergangenen Jahr gingen beim Bamf 229 751 Erstanträge ein. Damit stellten fast 100 000 Menschen weniger einen Asylantrag in Deutschland als noch im Jahr 2023 – ein Rückgang um 30,2 Prozent. Auch die Zahl der Asylanträge in der Europäischen Union, Norwegen und der Schweiz ging in dem Zeitraum zurück, im Durchschnitt um zwölf Prozent. Die EU-Asylagentur registrierte 2024 in den 27 EU-Mitgliedstaaten, Norwegen und der Schweiz insgesamt eine Million Erstanträge.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle am ersten Tag einer Amtszeit als Bundeskanzler das Innenministerium mittels seiner Richtlinienkompetenz anweisen, »ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen«. Er will dies möglich machen, indem Deutschland eine Notlage erklärt.
Die SPD sieht für ein solches Vorgehen, das auch Asylbewerber einschließen würde, europarechtliche Hindernisse. »Die irreguläre Migration lässt sich mit rechtsstaatlichen Mitteln und in enger europäischer Zusammenarbeit mit unseren Nachbarstaaten effektiv begrenzen«, sagte Faeser. Dazu gehörten auch die rund 50 000 Zurückweisungen durch die Bundespolizei bei den laufenden Grenzkontrollen seit Oktober 2023.
Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, will hier einen Widerspruch erkannt haben. Die CSU-Abgeordnete sagte über Faeser: »Sie bestätigt, dass insbesondere Zurückweisungen zu einem Rückgang der illegalen Migration geführt haben.« Zugleich lehne Faeser »konsequentere Zurückweisungen« ab. Dabei seien die Kommunen durch die Unterbringung und Versorgung von Zuwanderern überlastet und kein Asylsuchender, der eine deutsche Landgrenze erreicht habe, sei unmittelbar bedroht. »Für die Union ist klar: Die von der Ampel ergriffenen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus.«
Grenzkontrollen zuletzt bis Mitte September verlängert
Im Oktober 2023 hatte Faeser feste Kontrollen, die es zuvor nur an der Landgrenze zu Österreich gab, auch für die Grenzen zur Schweiz sowie zu Polen und Tschechien angeordnet. Inzwischen wird an allen deutschen Landgrenzen kontrolliert, was jeweils für einen begrenzten Zeitraum bei der EU-Kommission angemeldet und begründet werden muss. Grenzkontrollen sind im europäischen Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen.
»Bereits jetzt belasten Faesers stationäre Grenzkontrollen Wirtschaft, Polizei und Pendler massiv«, sagte der Grünen-Obmann im Innenausschuss, Marcel Emmerich. Union und SPD müssten ein klares Zeichen an Europa senden, dass sich Deutschland in dieser Frage nicht abschotte. An die Adresse des CDU-Vorsitzenden, sagte er: »Friedrich Merz muss auch hier in der politischen Realität angekommen und sich eingestehen, dass seine Versprechen dem Praxis-Check nicht standhalten.« Grenzschließungen seien weder praktikabel noch rechtlich umsetzbar.
Sinkende Schutzquote
Aktuell erhalten auch weniger Asylbewerber Schutz in Deutschland als im vergangenen Jahr. In nur 19,1 Prozent der Fälle, die im Januar und Februar dieses Jahres vom Bamf entschieden wurden, erhielten die Antragsteller einen Schutzstatus oder durften aufgrund eines Abschiebungsverbots bleiben. Das geht aus einer Bamf-Statistik hervor. Somit liegt die sogenannte Gesamtschutzquote deutlich unter dem Vorjahreswert von 45 Prozent. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass über Anträge von Menschen aus Syrien seit dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad im Dezember nicht entschieden wird.
Begründet wird der vorübergehende Entscheidungsstopp vom Bundesinnenministerium mit der »dynamischen Lage« in dem arabischen Land, das auch im Februar wieder auf Platz eins der Liste der Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern in Deutschland stand. Laut Bamf stammten im vergangenen Monat 27,7 Prozent der Menschen, die einen Asylantrag stellten, aus Syrien, gefolgt von Afghanen (15,3 Prozent) und Antragstellern aus der Türkei (zehn Prozent). dpa/nd
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