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ZDF-Serie »Türsteher«: Brötchen von Raphael
Autoritär aus Leidenschaft: Eine ZDF-Dokuserie porträtiert »Türsteher«
Sicherheit, das war einst ein Auftrag meist uniformierter Ordnungskräfte, die abgesehen von ein paar Bodyguards und Security-Schränken leicht zu übersehen waren. Auf Marktplätzen gab es allenfalls patrouillierende Polizisten, vor Volksfesten keine Betonquader. Und vorm Club saßen je nach Größe zwei muskulöse Kerle, die gelegentlich Taschen geöffnet und im Ernstfall zugepackt haben. Viel mehr nicht. Sehr lang her.
Wenn die niederrheinische Großraumdisco E-Dry nun eine Halloween-Party veranstaltet, kommen auf 3000 Gäste allein 14 professionelle Sicherheitsleute, die jemand mit kahlem Kopf, langjähriger Erfahrung und einem Arbeitsmotto organisiert, das womöglich Leben rettet: »Man muss schon autoritär sein«, sagt Raphael. Und er klingt in der sehenswerten ZDF-Dokumentation, die seinen Beruf im Namen trägt, wirklich nicht, als sollte man das im angesprochenen Ernstfall ignorieren: »Türsteher«.
Besoffene randalieren, Abgewiesene protestieren, Euphorisierte delirieren und ständig rücken echte Rettungskräfte an.
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Schon, weil der 48-Jährige gleich mal spezifiziert, warum er sein halbes Leben bereits ein »Wächter der Nacht« ist, wie es im Untertitel heiß: »Aus Leidenschaft«. Woher die rührt, was ihr folgt, warum sie trotz aller Gefahren nicht nur ein nächtlicher Nebenerwerb ist, sondern Daseinsinhalt – das erklären uns Betroffene wie Raphael seit Montag zweimal 45 Minuten in der Mediathek. Kleiner Tipp: unbedingt einschalten!
Denn Antje Diller-Wolff und Steven Melzer machen auf ihrer Tour durchs bundesdeutsche Partyleben nicht nur in Geldern Halt. Die Regisseure (Schnitt: Franz Buscha, Jan Cords, Steffen Meibaum) reisen an sieben teils legendäre Hotspots der Feierlaune und treffen Menschen wie Raphael in Edel-Diskos wie der Münchner Disco P1, Weltclubs wie dem Berliner Berghain, Provinzschuppen wie der Kaiserslauterer Markthalle oder Amüsierquartieren wie dem Frankfurter Bahnhofsviertel.
Und allerorten zeigt sich, was Raphael über unmittelbar Betroffene seiner Arbeit sagt: »Die Jugend kennt keine Grenzen mehr.« Alkohol, Drogen, Testosteron, gemischt mit Kontrollverlust, Chauvinismus, Adrenalin – ein toxisches Gebräu: »Wenn dich ’ne Flasche auf kurze Entfernung trifft, kann die Lampe aus sein.« Klingt also alles nach einem der abertausend Dokutainment-Formate von »Ärger im Revier« über »Nachtstreife« bis »Toto & Harry«, die besonders das Privatfernsehen mit Sicherheitspersonal im ganz gewöhnlichen Ausnahmezustand deutscher Sicherheitskräfte verfüllen.
Macht das ZDF also irgendetwas anderes, etwas Tiefgründigeres, also Besseres? Vorweg: leider nein. Auch öffentlich-rechtliche Türsteher werden mit der üblichen Mischung aus manipulativer Dramatik und Personality im Überwältigungssound porträtiert, ohne die Real Life im Abseits vierstelliger Zugriffsraten verschwände. Unter Beobachtung verbieten sich sämtliche Sicherheitsleute den strukturellen Rassismus normdeutscher Einlasskontrollen. Ohnehin schlagen hier allenfalls Objekte der Sicherheitssubjekte über die Stränge. Im Kamerafokus beweist die Heisenberg’sche Unschärferelation halt auch hier ihren Einfluss.
Was Spiegel TV im Auftrag von ZDFinfo anders macht? Ein bisschen weniger Blut, Schweiß und Tränen im Blaurotlicht, dafür mehr verpixelte Augen und Fokus auf den soziokulturellen Kontext. Während uns die Berliner Soziologin Christine Preiser auf Grundlage ihrer Promotion erklärt, dass Türsteher »Aushängeschilder« ihrer Etablissements sind, deren Beruf zwar einflussreich, anspruchsvoll, sinnstiftend und zusehends weiblich besetzt ist, aber als minderwertig, plump, gar simpel stigmatisiert werde, führt uns ein knappes Dutzend Talking Heads dieser hochinteressanten Milieustudie in Graubereiche.
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Toughe, gern halstätowierte Typen wie »Deutschlands angeblich bekannteste Türsteherin« Anke, genannt »Schwarze Göttin«. Stolze 33 ihrer 55 Jahre im Lauterer Nightlife aktiv, ist sie noch länger dabei als Mirko, der »nur« ein Drittel seiner 48 Lenze für Ordnung am Entree Frankfurter Festivitäten sorgt. Beide sind Koryphäen einer unterbezahlten, hochriskanten, tief erfüllenden Tätigkeit, die sie uns mit echter Empathie im Fronteinsatz, aber auch privat erklären. So entstehen Augenblicke authentischer Nähe, die ein knappes Dutzend Nachtschattengewächse der Unterhaltungsbranche ins Rampenlicht holen und dabei vor allem eines zeigen: Respekt vor ihrer Tätigkeit.
Natürlich brennt auch hier ständig die Hütte. Besoffene randalieren, Abgewiesene protestieren, Euphorisierte delirieren und ständig rücken echte Rettungskräfte an. Aber da unterscheidet sich die Doku vermutlich kaum von einer Realität, die Raphael im Morgengrauen einer bewegten Nacht prima auf den Punkt bringt: »Wir sind auch nur Menschen mit ’ner sensiblen Hülle und möchten abends nach Hause kommen.« Wenn sie heil bleibt, legt er seine Sicherheitsweste ins Auto und bringt Brötchen mit.
Verfügbar in der ZDF-Mediathek und ab 20. März in ZDFinfo
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