Ein »Angriff« auf ältere Lehrer in Sachsen

Kultusminister will Unterrichtsausfall senken. Einige Maßnahmen empören Gewerkschaften

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil 1400 Lehrer fehlen, steht in Sachsens Schulen viel zu oft niemand vor der Klasse.
Weil 1400 Lehrer fehlen, steht in Sachsens Schulen viel zu oft niemand vor der Klasse.

Es gab Zeiten, da hatte Sachsen zu viele Lehrer. Grund waren die jahrelang sinkenden Schülerzahlen im Freistaat. Das Land reagierte mit einer Regelung über »Zwangsteilzeit«, die Kündigungen vermied, aber von den Beschäftigten mit erheblichen Gehaltseinbußen erkauft wurde. Zugleich gab es einen Einstellungsstopp an den Schulen.

Dann wendete sich das Blatt. Seit 2011 schoss die Zahl der Schüler in die Höhe; zugleich gingen Tausende Lehrer in Rente. Das Land verschlief es lange, angemessen darauf zu reagieren. Die Folgen sind dramatisch. Aktuell fehlten an den Schulen im Freistaat 1400 Lehrer, rechnet Kultusminister Conrad Clemens vor. Im ersten Schulhalbjahr 2024/25 fielen 9,4 Prozent aller Unterrichtsstunden aus. Die Zahl steigt seit Jahren. »So, wie es jetzt ist«, sagt der CDU-Ressortchef, »darf es nicht weitergehen.«

Diese Einschätzung dürfte kaum auf Widerspruch stoßen. Einige der Maßnahmen aber, die Clemens jetzt vorstellte, sorgten für Empörung. GEW-Landeschef Burkhard Naumann sprach gar von einem »schweren Angriff auf Lehrkräfte in Sachsen, gegen den wir uns wehren werden«.

Dabei geht es nicht um viele kleine Steine, die im Ministerium umgedreht wurden, um das, wie Clemens formulierte, vorhandene »Lehrerarbeitsvermögen noch effizienter einzusetzen«. So müssen Lehrer, die als Fachberater tätig sind, künftig zwei Stunden länger vor Klassen stehen. Es soll weniger Abordnungen in die Schulverwaltung geben. Die bisher Lehrern obliegende Koordination von Ganztagsangeboten soll von Assistenzkräften übernommen werden. Außerunterrichtliche Belastungen sollen reduziert werden, etwa indem für »Kopfnoten« in Betragen oder Fleiß auf dem Zeugnis keine verbalen Einschätzungen mehr formuliert werden müssen.

»Die Lehrkräfte sollen weiterhin die verfehlte Bildungspolitik der CDU ausbaden.«

Christin Melcher Grüne Bildungsexpertin

Was die Gewerkschaften indes auf die Palme bringt, ist der Abbau einer Vergünstigung für ältere Lehrkräfte. Deren Unterrichtsverpflichtung reduziert sich bisher ab dem 58. Lebensjahr um eine Stunde, ab dem 60. und 61. um je eine weitere. Künftig wird die »Altersermäßigung« erst schrittweise ab 63 gewährt, so spät wie in keinem anderen Bundesland. Der Minister argumentiert mit der »verbesserten Gesundheit vieler im Alter«. Dagegen wettert Michael Jung, Chef des Sächsischen Lehrerverbands SLV, nun sollten »Lehrkräfte, die bereits unter Zwangsteilzeit und Gehaltsverlust litten und nie die Chance auf Verbeamtung hatten, im Alter auch noch auf die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung verzichten«. Das sei »nicht hinnehmbar«.

Auch aus dem Landtag kommt teils scharfe Kritik an Teilen von Clemens’ Paket. Gerald Eisenblätter, Bildungsexperte der SPD, die gemeinsam mit der CDU eine Minderheitsregierung trägt, erklärte, eine weitere Arbeitsverdichtung und weniger Altersermäßigung würden »die Arbeitsmotivation negativ beeinflussen«. Die Oppositionsparteien Grüne und Linke loben den Minister zwar dafür, dass mehr fächer- und jahrgangsübergreifender Unterricht ermöglicht und Prüfungsdruck reduziert werden soll. Luise Neuhaus-Wartenberg (Linke) sagte auch: »Wir teilen das Ziel, mit dem vorhandenen Personal mehr zu erreichen.« Das Hinausschieben der Altersermäßigung werde aber »zu Recht auf Kritik stoßen«. Christin Melcher (Grüne) beklagte, Sachsens Lehrkräfte sollten »weiterhin die verfehlte Bildungspolitik der CDU ausbaden«. Und der BSW-Abgeordnete Lars Wutzler merkte sarkastisch an, wenn das Ministerium beabsichtige, noch mehr Lehrer in den vorzeitigen Ruhestand zu treiben, sei es »auf einem erfolgversprechenden Weg«.

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