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Aalerta! Millionen Aale für Berlin

Fischereiamt baut den Bestand des Europäischen Aals in Oberhavel, Unterhavel, Spree und Dahme auf

Schon drei Jahre alt, und trotzdem noch klein und durchsichtig: Glasaale, die in der Havel ausgesetzt werden
Schon drei Jahre alt, und trotzdem noch klein und durchsichtig: Glasaale, die in der Havel ausgesetzt werden

Von ganz weit weg kommen sie her: 1,8 Millionen Glasaale, die sich von der Sargassosee kurz vor Florida quer durch den Atlantik durchschlugen und dann in Frankreich an den Flussmündungen der Küste eingefangen und nach Berlin transportiert wurden. Hier werden sie in die Gewässer eingesetzt, um die Bestände des Europäischen Aals aufzubauen. Am Mittwochmorgen wurde ein Teil der kleinen Fische am Berliner Fischereiamt in die Unterhavel gelassen.

»Seit mehr als 30 Jahren haben wir einen starken Rückgang des Aalbestands«, sagt Jens Puchmüller vom Fischereiamt. In Gummistiefeln steigt er in ein metallenes Boot. Er hat eine weiße Styroporkiste dabei. Darin befinden sich etwa 0,3 Gramm schwere und fünf Zentimeter lange junge Aale. Drei Jahre sind sie alt, denn so lange brauchen sie, um den Atlantik zu durchqueren. Sie sind noch durchsichtig, deshalb werden sie Glasaale genannt. In Berlin befinden sich Aufwuchsgebiete der jungen Tiere. Hier bleiben sie acht bis zwölf Jahre, dann treten sie den Rückweg über Havel und Elbe in den Atlantik bis zur Sargassosee an, wo sie sich vermehren.

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Das Hauptproblem für die Aale ist aber der Hinweg von den europäischen Atlantikküsten über die Flüsse bis in die Aufwuchsgebiete. »Nur sehr wenige Aale schaffen es von selbst bis hierher«, sagt Puchmüller. Hindernisse wie Wehre und Wasserwerke torpedieren die Reise der kleinen Fische zu den Aufwuchsgebieten. »Wir überbrücken diesen Teil der Strecke. Sonst hätten wir hier gar keinen nennenswerten Aalbestand.«

Die an der Atlantikküste eingefangenen Fische werden in Oberhavel und Unterhavel und im Gebiet Köpenick in Dahme und Spree eingesetzt. Fischer von der Köpenicker Fischervereinigung und der Fischersozietät Tiefwerder-Pichelsdorf fahren die Ufer ab und verteilen sie möglichst breit, denn die Jungaale würden bis zu ihrer Abwanderung zurück in den Atlantik größtenteils am selben Ort im Wasser bleiben.

Beim Einsetzen der Fische am Fischereiamt in der Havelchaussee ist Britta Behrendt (CDU), Staatssekretärin in der Umweltverwaltung, zugegen. Sie setzt vom Boot aus ein paar kleine Aale eigenhändig ins Wasser. »Wir legen Wert darauf, dass die Fische möglichst schonend gefangen werden«, sagt sie. 130 250 Euro kostet die Berliner Aal-Aktion, finanziert von der EU, dem Land Berlin und Berliner Fischereiorganisationen.

»Nur sehr wenige Aale schaffen es von selbst bis hierher.«

Jens Puchmüller Fischereiamt Berlin

Die Aale seien »nachhaltigkeitszertifiziert«, so Puchmüller. Das sei wichtig, um die Sterblichkeit der kleinen Fische beim Fang und Transport von Frankreich nach Berlin so gering wie möglich zu halten. Die Aale würden außerdem genau untersucht, dafür schickt das Fischereiamt Proben an das Institut für Binnenfischerei in Potsdam. »Wir monitoren den Bestand in Berlin, um Feedback zu haben.« So werde sichergestellt, dass man nicht mehr Aale in die Gewässer einführe, als es ökologisch sinnvoll ist.

Der Europäische Aal ist ein fester Bestandteil des Ökosystems in den Berliner Gewässern, sagt Puchmüller. Die momentan noch sehr kleinen Aale werden bis zu einem Meter groß und drei bis vier Meter lang. »Sie fressen gerne kleine Krebse.« Das sei positiv für das Ökosystem der Hauptstadt, weil die Krebse nicht ursprünglich in den Berliner Gewässern vorkämen.

Die Aal-Beisetzung an der Unterhavel beobachtet auch Malte Frerichs vom Deutschen Angelfischerverband. Seine Organisation hat zusammen mit zwei weiteren den Europäischen Aal zum »Fisch des Jahres 2025« gekürt. Für ihn als Angler ist der Fisch nicht nur interessant, weil er geräuchert gut schmeckt, wie er zu »nd« sagt, sondern auch, weil er ein besonders »interessantes Lebewesen« sei. Dass er zum Beispiel so einen langen Weg von der Sargassosee bis in die europäischen Gewässer und zurück hinter sich bringe und dass man noch nicht wisse, wie genau er sich überhaupt vermehre, mache den AAl »mysteriös«. Angeln darf man den bedrohten Fisch nur, wenn er eine entsprechende Mindestgröße erreicht hat, sagt Frerichs.

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