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Im Blindflug ins Extremwetter

Kürzungen bei der US-Klimaforschung und Meteorologie beeinträchtigen auch die Wettervorhersage

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 5 Min.
Donald Trump, zu der Zeit noch US-Präsidentschaftskandidat, im September 2024 im von Hurrikan Helene verwüsteten Valdosta, Georgia
Donald Trump, zu der Zeit noch US-Präsidentschaftskandidat, im September 2024 im von Hurrikan Helene verwüsteten Valdosta, Georgia

Mit rabiaten Einschnitten geht die neue US-Regierung gegen Behörden und öffentliche Institutionen vor. Zu den Opfern gehören nicht zuletzt Bildung und Wissenschaft. Insbesondere Klimaschutz und Klimawissenschaften werden systematisch demontiert. Während aus Genf die Weltorganisation für Meteorologie WMO in ihrem diese Woche veröffentlichten Jahresrückblick vom wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, von der höchsten atmosphärischen CO2-Konzentration seit mindestens 800 000 Jahren und von über 150 nie zuvor gesehenen extremen Wetterereignissen im vergangenen Jahr berichtet, rückt die Trump-Regierung wissenschaftlichen Einrichtungen auf den Leib. Die US-Umweltagentur EPA will zum Beispiel ihre Forschungsabteilung schließen, schreibt die Nachrichtenagentur AP. Bis zu 75 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen vor die Tür gesetzt werden, was 1155 der bei der EPA beschäftigten Biologen, Chemiker und Toxikologen wären.

Der neue EPA-Chef Lee Zeldin – ein Weggefährte von Donald Trump – will den Etat seiner Behörde um 65 Prozent kürzen. Als ehemaliger Abgeordneter der Republikaner hat Zeldin im Kongress regelmäßig gegen schärfere Umweltgesetze und Klimaschutzmaßnahmen gestimmt. In seinen Wahlkämpfen hat er sich für die Ausweitung der Öl- und Gasförderung ausgesprochen und konnte entsprechend nicht über mangelnde Spenden der Branche klagen. Nach Angaben der Umweltorganisation Sierra Club gab er als eine seiner Prioritäten in der EPA an, die »Energie-Dominanz« der USA stärken zu wollen. Ende Januar war er von Trump vorgeschlagen und vom Senat mit den Stimmen der Republikaner und dreier Demokraten bestätigt worden.

EPA ist nur eine von zahlreichen Behörden, in denen der vom US-Magazin »Forbes« auf ein Vermögen von 321,4 Milliarden US-Dollar (295 Milliarden Euro) geschätzte Elon Musk derzeit im Auftrag von Trump eine Entlassungswelle organisiert. Meist sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen, deren Probezeit noch nicht abgelaufen war. Bei der US-Behörde für Ozeane und Atmosphäre NOAA erhielten diese Neulinge Anfang März Kündigungsbriefe, die ihnen pauschal vorwarfen, ihre Leistungen hätten nicht den Erwartungen entsprochen.

»Menschen werden im Extremwetter sterben, die es nicht müssten.«

Daniel Swain Klimaforscher

Die NOAA betreibt nicht nur Klimaforschung, indem sie an großen Erdsystemmodellen arbeitet, die Atmosphäre, Ozeane, Landoberflächen und ihre Wechselwirkungen simulieren. Sie betreibt auch ein Hurrikan-Vorhersagezentrum, zwei Tsunami-Warnzentren und den US-Wetterdienst, der das ganze Land mit allgemeinen sowie spezialisierten Wettervorhersagen, etwa für Landwirtschaft und Fischerei, versorgt. 880 Angestellte wurden seit Februar bereits bei der NOAA vor die Tür gesetzt, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet.

»Diese Massenentlassungen bei der NOAA sind eine nationale Katastrophe«, zitiert Reuters Jane Lubchenco, die die Behörde unter Barack Obama geleitetet hatte. NOAA sei mit rund 12 000 Beschäftigten bereits eine »schlanke« Behörde. »NOAA die Fähigkeit zu nehmen, lebensrettende Informationen zu liefern, die Meere zu schützen und die Wirtschaft zu stärken, macht überhaupt keinen Sinn«, meint Lubchenco. Daniel Swain von der Universität von Kalifornien in Los Angeles, der sich auf extreme Wetterereignisse spezialisiert hat, spricht gegenüber der Agentur ebenfalls von Menschenleben, die in Gefahr seien: »Menschen werden im Extremwetter sterben, die es nicht müssten«, wenn an der Vorhersage gespart würde.

Auch private Vorhersagedienste können NOAAs Rolle nicht übernehmen, wie verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenüber Reuters versichern. Wie auch hierzulande arbeiten die privaten Anbieter mit den Daten, die die nationalen Wetterdienste mehrmals täglich an Zehntausenden Wetterstationen einsammeln, mit Satelliten messen oder aus dem Aufstieg von Radiosonden gewinnen. Diese Daten werden in Echtzeit aufbereitet, zum Teil der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und mehrmals täglich in die Vorhersagemodelle eingegeben. Erst mit deren Ergebnissen können dann auch private Dienstleister arbeiten.

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Bedroht von den Sparplänen sind unter anderem zwei wichtige Zentren des Wetterdienstes, deren Pachtverträge gekündigt werden sollen. Das eine ist ein Datenzentrum an der Universität von Maryland, in dem 825 NOAA-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler an Analysen, an der Datenaufbereitung und an Wettervorhersagen arbeiten und das unter anderem eine umfassende Ausrüstung zur Datenübermittlung hat. Bei der anderen Einrichtung handelt es sich um die Zentrale aller in den USA betriebenen Wetterradars, die von dort gewartet, koordiniert und deren Daten zusammengetragen werden. Damit soll nun Ende September Schluss sein.

Ob das Zentrum in Maryland auch geschlossen wird, ist derweil noch ungewiss. Von dort werden die US-Wetterdaten bisher auch international weitergegeben, was für die Wettervorhersage auf allen Kontinenten essenziell ist. Florence Rabier, die Generaldirektorin des von 35 Ländern betriebenen Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersagen, meint zu den Vorgängen in den USA auf nd-Anfrage: »Regierungen auf der ganzen Welt benötigen hochwertige Wetterdaten, um Investitionen und Entscheidungen zum Schutz ihrer Bürger zu treffen. Mittelfristige Wettervorhersagen (drei bis 15 Tage) sind für die Planung von extremen Wetterereignissen wie Wirbelstürmen unerlässlich, was für den Schutz von Leben und Eigentum entscheidend ist. Das Wetter kennt keine Grenzen, und für eine erfolgreiche Vorhersage des Wetters in einem bestimmten Gebiet werden Daten aus der ganzen Welt benötigt, was den Zugang zu vielen Quellen erfordert, von Satelliten bis hin zu bodengestützten Beobachtungen.« Die gegenseitige Abhängigkeit habe zu einem ständigen und für alle profitablen Datenaustausch zwischen allen Regionen der Welt geführt. Ob diese Zusammenarbeit auch künftig reibungslos funktioniert, scheint inzwischen fraglich.

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