Reichsbürgerprozesse: Schuldspruch ohne Strafe

Mitstreiterin von Reichsbürger-Terrortruppe kommt glimpflich davon, weil sie die Umsturzpläne an die Polizei verriet

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Angeklagte (l.) sitzt neben ihrem Verteidiger im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) Celle und verdeckt ihr Gesicht.
Die Angeklagte (l.) sitzt neben ihrem Verteidiger im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) Celle und verdeckt ihr Gesicht.

Die Angeklagte ließ es an Schärfe nicht fehlen. »Das war völliger Wahnsinn«, sagte Isabell B. »Die waren völlig gewissenlos. Denen war es egal, dass Leute sterben.« Es gab Zeiten, da hätte die 39-Jährige wohl so über die Corona-Politik geredet, über Masken und Impfungen – die gelernte Friseurin aus Niedersachsen war tief im »Querdenken«-Milieu verwurzelt. Als sie diese Worte jedoch im unwirtlichen Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle aussprach, meinte sie damit ihre einstigen Gesinnungsgenoss*innen.

Isabell B. musste sich seit Januar vor dem Staatsschutzsenat in Celle verantworten, weil sie Mitglied der »Vereinten Patrioten« gewesen sein soll. Die Gruppierung aus rechten Reichsbürgern und Corona-Leugnerinnen hatte den Umsturz in Deutschland geplant und wollte unter anderem Gesundheitsminister Karl Lauterbach entführen sowie einen wochenlangen Stromausfall im ganzen Land herbeibomben. Vor zwei Wochen wurden die mutmaßlichen Rädelsführerinnen in Koblenz zu Gefängnisstrafen von bis zu acht Jahren verurteilt.

Am Freitag folgte nun die Verurteilung von Isabell B. Allen ihren Distanzierungen zum Trotz wurde die Hausfrau und dreifache Mutter wegen »mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund«, wie der Vorwurf in der Sprache des Strafgesetzbuchs lautet, schuldig gesprochen. Aber: Eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängte der Senat nicht. Nur die Verfahrenskosten muss die Angeklagte tragen.

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Wegen »tätiger Reue«, erklärte Senatsvorsitzender Frank Rosenow, habe man von einer Ausnahmeregelung im Gesetz Gebrauch gemacht und auf eine Bestrafung verzichtet. Außerdem seien die Tatbeiträge der Angeklagten »von eher untergeordneter Bedeutung« gewesen.

Isabell B. hatte im Januar 2022 an einem Treffen der »Vereinten Patrioten« in Thüringen teilgenommen – ohne zu ahnen, so beteuerte sie jedenfalls vor Gericht, was sie dort erwarten würde. Nämlich: die Vorstellung eines mehrstufigen Plans, der in die Wiederinkraftsetzung der Verfassung des Deutschen Kaiserreichs von 1871 münden sollte – Minister-Entführung und Sprengstoffanschläge auf die Stromnetze inklusive. »Ich habe vor Ort schon gesagt, dass das völlig bekloppt ist«, sagte die Angeklagte. »Ich fühlte mich wie im falschen Film.«

Trotzdem blieb sie, diskutierte mit und machte Vorschläge, etwa für eine sichere Internetkommunikation. Auch in der Folge brach sie den Kontakt zu den Verschwörer*innen nicht ab. Doch vier Wochen nach dem Treffen ging sie zur Polizei und verriet die Pläne. »Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die das ernst meinen und dass ich handeln muss«, sagte sie. »Ich wollte meinen Beitrag leisten, damit sie gestoppt werden.« Als sie danach noch ein weiteres Treffen besuchte, geschah das bereits mit Wissen und Billigung der Polizei – auch wenn die Ermittlungsbehörden ihr offenbar nicht genügend vertrauten, um sie offiziell zur V-Frau, also zum Spitzel, zu machen.

Ursprünglich war der Angeklagten auch vorgeworfen worden, bei dem Treffen in Thüringen Nahkampfschulungen angeboten und Kampftechniken selbst demonstriert zu haben. Dies beruhte auf der Aussage eines verdeckten Ermittlers, den die Polizei in die Gruppe eingeschleust hatte. Doch dieser hatte seine Angaben zu Isabell B., die sie selbst pauschal als »Quatsch« abtat, noch vor Beginn der Hauptverhandlung deutlich abgeschwächt – sehr zum Unmut der Generalstaatsanwaltschaft. In seinem Plädoyer spottete Oberstaatsanwalt Karim Jouran über den »glorreichen verdeckten Ermittler, der in anderen Verfahren für sein fotografisches Gedächtnis gepriesen wurde«.

Wie die Verteidigung hielt auch er deshalb sämtliche Vorwürfe für nicht erwiesen und forderte Freispruch. Das Gericht jedoch wollte der Angeklagten ihre Selbstinszenierung als vielleicht etwas unbedarfte, aber durch und durch aufrechte Staatsbürgerin nicht uneingeschränkt abnehmen.

Mit dem Schuldspruch gegen Isabell B., der allerdings noch nicht rechtskräftig ist, endet bereits der bundesweit fünfte Prozess im Komplex »Vereinte Patrioten«. Gegen zwei mutmaßliche Beteiligte – darunter die Tochter eines der verurteilten Rädelsführer, die sich von zwei bekannten rechtsextremen Szeneanwältinnen verteidigen lässt – wird noch in Koblenz verhandelt. Und in Thüringen hat die Generalstaatsanwaltschaft kürzlich einen 60-Jährigen aus Meiningen angeklagt, der unter anderem mehrere Telegram-Kanäle der Umstürzlerinnen verwaltet haben soll.

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