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Weiblich, afrikanisch, jung: Was will die neue IOC-Präsidentin?
Die 41-Jährige Kirsty Coventry übernimmt die Führung des IOC: Die Ex-Schwimmerin will die Athleten in den Mittelpunkt stellen
Seit Donnerstag ist im Weltsport etwas in Bewegung geraten: Erstmals in der 131-jährigen Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees wählte der Ringe-Orden eine Frau an die Spitze, erstmals eine Person aus Afrika. Schwimm-Olympiasiegerin Kirsty Coventry aus Simbabwe ist mit 41 dazu noch die jüngste Präsidentin nach dem Erfinder der neuzeitlichen Olympischen Spiele, Baron Pierre de Coubertin, der das Amt 1896 im Alter von 33 Jahren antrat.
»Das ist ein außergewöhnlicher Moment«, befand die ehemalige Sportministerin Simbabwes nach ihrer Wahl am Donnerstag am Rande der 144. IOC-Vollversammlung. »Ich hoffe, dass diese Wahl eine Inspiration für viele Menschen sein wird. Ich bin mir meiner Verantwortung als Vorbild vollauf bewusst«, sagte die zweifache Mutter, die 1983 im postkolonialen Simbabwe als Tochter eines britischen Geschäftsmannes und einer weißen Simbabwerin geboren wurde.
Die Schwimm-Olympiasiegerin von 2004 und 2008 muss sich in Sachen IOC-Präsidentschaft jedoch noch bis zum 24. Juni gedulden, ehe sie richtig loslegen kann. Zwar hatte Coventry am Donnerstag schon im ersten Wahlgang mit der punktgenauen Mehrheit von 49 Stimmen bei 97 Wahlberechtigten triumphiert, doch vor dem Abtritt ihres Amtsvorgängers Thomas Bach aus Deutschland liegen nun noch jene drei Monate »des sanften Übergangs« (Bach), in denen Coventry an die Aufgaben an der Spitze des Weltsports herangeführt werden soll.
Seit ihrer Wahl überschlagen sich Politiker und internationale Sportführer in ihren Reaktionen und Glückwunschadressen, doch wofür die neue Leaderin des Weltsports wirklich steht, ist zumindest ungewiss. Kirsty Coventry, die bereits seit 2013 IOC-Mitglied ist, wurde stets als Bachs Wunschkandidatin gehandelt, sie galt aber bis Donnerstag als politisch blass.
»Ich habe mit schwierigen Männern in hohen Positionen zu tun gehabt, seit ich 20 bin.«
Kirsty Coventry Zehnte IOC-Präsidentin
Ihr sogenanntes Manifest, quasi ihr Wahlprogramm, das sie vor der Vollversammlung veröffentlichte, verrät auch nicht allzu viel konkrete Vorhaben: Sie will die Athleten in den Mittelpunkt stellen, deren Bedürfnisse sollten stets im Vordergrund stehen, verspricht die einstige Athletenvertreterin. Sie will die internationalen Sportverbände noch mehr einbinden (und sie stärker an Gewinnen aus neuen Formaten teilhaben lassen). Junge Leute sollen dem organisierten Sport keinesfalls verloren gehen: E-Sports-Wettbewerbe unter dem IOC-Dach sollen dem Dachverband des Weltsports neue Einnahmequellen erschließen und die Zielgruppe weiter an die olympische Idee binden.
Zudem will Coventry, wie es auch ihre sechs geschlagenen Mitbewerber um das Amt wollten, die »Olympic Solidarity« stärken, also jene IOC-Programme, mit denen der Sport in ärmeren Nationen gefördert wird. Die neue Präsidentin will Digitalisierung und den Einsatz von KI im Sport vorantreiben und Olympiagastgeberstädte mittels spezieller CO2-Budgets auf Nachhaltigkeit trimmen. Olympische Spiele dürften nicht mehr ausufern, auch was die Teilnehmerzahlen anbetrifft. »Wachstum um des Wachstums willen ist nicht mehr haltbar«, schreibt sie.
Doch natürlich wird Coventry sich auch den aktuellen Problemen widmen müssen, mit denen sich bereits ihr Vorgänger herumzuschlagen hatte. Auf ihrer ersten Pressekonferenz zeigte sie sich durchaus gewappnet, als eine der ersten Fragen an die »president elect« auf die nächsten Olympischen Sommerspiele abzielte, die 2028 in Los Angeles ausgetragen werden. Wie werden die Spiele unter US-Präsident Donald Trump laufen? »Ich habe mit schwierigen Männern in hohen Positionen zu tun gehabt, seit ich 20 bin.« Sie habe gelernt, dass Kommunikation der Schlüssel sei. Trump sei ein Sport-Liebhaber, auch er wolle großartige Spiele in LA. Beim Thema Visafreiheit äußerte sie sich klar: »Wir werden nicht von unseren Werten abweichen, dass alle Athleten, die sich für Olympia qualifiziert haben, auch teilnehmen und sich sicher fühlen können«, sagte sie.
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Und was ist mit der Geschlechterdebatte im Sport? Seit den Olympischen Spielen in Paris und dem Streit um die Boxerinnen Imane Khelif und Lin Yu-ting erhitzen sich die Gemüter. Trump hat Transmenschen per Dekret von der Teilnahme am Frauensport ausgeschlossen. Coventry erklärte am Donnerstag, das IOC werde unter ihrer Führung eine Task Force einsetzen. »Wir werden eine klare Entscheidung treffen und davon nicht abweichen«, kündigte Coventry an.
Auch Russland beschäftigt den Weltsport. Dessen Athleten dürfen wegen des staatlich orchestrierten Dopings bei Winterolympia 2014 in Sotschi seit 2016 nicht mehr unter eigener Flagge starten, der Angriffskrieg in der Ukraine spielt ebenfalls eine Rolle beim russischen Sportbann. Nach Coventrys Wahl hatte der russische Sportminister Michail Degtjarjow auf Telegram mitgeteilt, man freue sich auf die Rückkehr auf olympische Siegerpodien unter der neuen IOC-Führung. Auch Präsident Wladimir Putin gratulierte Coventry »aufrichtig«. Die Simbabwerin zeigte sich unbeeindruckt und hielt sich zurück. Athleten dürften nicht für die Politik ihrer Länder bestraft werden, sagte sie und folgte damit exakt dem Ansatz, den ihr Förderer Thomas Bach stets verfolgt hatte.
Kirsty Coventry kündigte an, mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern nach Lausanne (Schweiz) zu ziehen, wo das IOC seinen Sitz hat. Mit dem scheidenden Amtsinhaber saß sie am Freitag beim Frühstück im griechischen Pylos zusammen. »Es wird keine Entscheidung ohne Zustimmung der gewählten Präsidentin getroffen«, kündigte er an. Bei Meinungsverschiedenheiten gelte im Zweifelsfall das, was Coventry wolle. »Sie muss sich auch nicht rechtfertigen, nur weil ich immer noch da bin.«
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