Tödliche Fluchtrouten: USA und EU mit Beihilfe zum Mord

Christian Klemm plädiert für legale Flüchtlingsrouten in die EU und die USA

Migranten am Rio Grande zwischen Mexiko und den USA
Migranten am Rio Grande zwischen Mexiko und den USA

Niemand verlässt gerne seine Heimat. In der Regel gibt es dafür triftige Gründe. Krieg ist so einer, Armut auch, die Klimakrise ebenfalls. Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Fakt aber ist: Eine Flucht ist gefährlich für Leib und Leben. Und zwar so gefährlich wie noch nie. Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) kamen im vergangenen Jahr weltweit mindestens fast 9000 Menschen auf Fluchtwegen ums Leben. Seit 2014 gelten mehr als 74 000 Migranten als tot oder vermisst. Wobei die IOM davon ausgeht, dass die Dunkelziffer noch um einiges höher liegt.

Ein Hauptziel vieler Migranten ist die Europäische Union. Dort sind Flüchtlinge weitgehend von Verfolgung und extremer Armut – wie sie es in ihren Heimatländern erfahren müssen – geschützt. Für die offizielle Politik in Brüssel ist diese Zuwanderung aber eine Bedrohung. Sie tut deshalb viel dafür, dass Migranten keinen Schutz bekommen: Man riegelt die Außengrenzen ab, bezahlt Autokraten in der Türkei oder in Nordafrika, damit sie Menschen von der Durchreise abhalten, und gängelt bereits im Land lebende Geflüchtete. Aktuell gibt es nahezu keine legalen Fluchtwege in die EU. Und das treibt Menschen nicht nur in die Hände brutaler Schlepperbanden, die mit ihnen praktisch machen können, was sie wollen. Sondern die Schutzsuchenden steigen auch weiterhin in kaum seetaugliche Boote, um beispielsweise das Mittelmeer zwischen Italien und Libyen oder der Türkei und Griechenland zu überqueren. Das Meer ist inzwischen zu einem Massengrab geworden.

Anstatt endlich legale Fluchtwege zu schaffen, verschärft sich in der EU das Klima gegenüber Geflüchteten weiter. Stichwort Koalitionsverhandlungen in Deutschland, dem Land, das in Brüssel die Hosen anhat: Gerungen wird um mehr Abschiebungen, Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Landesgrenzen zu anderen EU-Ländern und Asylverfahren in Drittstaaten. Die Union um den kommenden Kanzler Friedrich Merz (CDU) gibt in den Verhandlungen den Hardliner, die SPD versucht geringfügig zu bremsen. Am Ende läuft es aber auf eins hinaus: Die Fluchtrouten werden noch gefährlicher. Noch mehr Menschen finden dann den Tod.

Dazu trägt auch der neue Mann im Weißen Haus bei, der nicht müde wird, Migranten vor allem aus Lateinamerika als Kriminelle und Schmarotzer zu brandmarken. Sie müssen auf ihrer Flucht die Wüstenregionen zwischen Mexiko und den USA durchqueren, was ebenfalls lebensgefährlich ist: So hat die IOM 686 Fälle von Migranten dokumentiert, die dort im Jahr 2022 starben oder verschwanden. Das war noch rund zwei Jahre vor dem Amtsantritt von Donald Trump, der die USA an der Südgrenze zur uneinnehmbaren Festung ausbauen will. Was die Menschen dort in Zukunft erwartet, kann man sich ausrechnen.

Was die politische Klasse in Europa oder den USA auch unternimmt: Menschen lassen sich nicht davon abhalten, dort ein besseres Leben zu suchen. Wer das nicht einsieht, riskiert das Leben von Tausenden. Und das ist nichts anderes als Beihilfe zum Mord.

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