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Berlin: Klimaschutz für Pankow
Traumreise oder Papiertiger? Die Wirkung des neuen Klimaschutzkonzepts wird in der Umsetzung liegen
Es ist das Jahr 2045, die Sommer sind heißer und trockener, das Wetter unberechenbarer. So fängt der Einstieg des veröffentlichen Pankower Klimaschutzkonzepts an. In einer Traumreise sieht man sanierte und energieeffiziente Gebäude, Strom der von den Dächern kommt und Wände die begrünt sind, während man selbst durch ruhige Straßen schlendert und sich unter schattigen Bäumen ausruht.
Fokus des 310 Seiten langen Klimaschutzkonzeptes liegt dabei auf Mobilität, Gebäude und Energie, Verwaltung, Wirtschaft sowie private Haushalte und Konsum. »Statt uns von Angst und Resignation leiten zu lassen, haben wir beschlossen, aktiv zu werden«, erklärt Bezirksbürgermeisterin Cornelia Koch (Grüne).
2019 rief die Bezirksordnungsversammlung den Klimanotstand für Pankow aus und beauftragte das Bezirksamt mit der Entwicklung eines Klimaschutzkonzepts. Dieses wurde von der Nationalen Klimaschutz Initiative gefördert und von März 2023 bis August 2024 vom Bezirksamt erarbeitet und am 15. Oktober 2024 beschlossen. Das Klimaschutzkonzept analysiert die Energieverbräuche und Emissionen und definiert Klimaziele und Maßnahmen. Friedrichshain-Kreuzberg war Dezember 2024 war der erste Bezirk der ein Klimaschutzkonzept vorgelegt hatte.
Pankow konzentriert sich auf Belastungen die die Bürger*innen betreffen. Von Hitzestress, Lärmbelastung, schlechte Luftqualität und Zugang zu Parks und Grünanlagen. Diese Faktoren können das Wohlergehen wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und Stress merklich beeinflussen.
»Statt uns von Angst und Resignation leiten zu lassen, haben wir beschlossen, aktiv zu werden«
Bezirksbürgermeisterin Cornelia Koch (Grüne)
Das Konzept, der sich auf die jetzige Lage sowie konkrete Maßnahmen für die Zukunft konzentriert, wird von BUND-Klimareferent Matthias Krümmel gelobt. Verkehr und Gebäude seien die größten Hebel, um lokal gegen die Klimakrise vorzugehen. Die genannten Maßnahmen geben Hoffnung, sagt er.
So soll zum Beispiel bis Ende 2025 ein Plan für die Umstellung der kommunalen Wärmeversorgung auf fossil-unabhängige Quellen existieren. Im Bauwesen soll die Integration des Klimaschutzes und der Klimaanpassung, also wie man gegen extreme Wetterverhältnisse besser umgeht, eine große Rolle spielen. Langfristig soll zum Beispiel Buchholz Nord ein Null-Emissionen-Gewerbsgebiet werden. Auch Gasheizungen werden durch Nah- und Fernwärmeanschlüsse ersetzt wie es zum Beispiel am Rosa-Luxemburg-Gymnasium erfolgt.
Auch der Straßenraum soll sozial- und klimafreundlicher gestaltet werden. Zum Beispiel durch Förderung und sogenannte »Infrastrukturmaßnahmen« ,wie das Anlegen von neuen Radwegen und das Einführen von verkehrsberuhigten Bereichen. Die Umsetzung neuer Kiezblocks sind schon beim Armenkiez und im Winskiez in Planung. Ziel ist es Bürger*innen durch ein gutes Angebot zu motivieren auf alternative Verkehrsmittel wie E-Scooter, Fahrräder, öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Optionen umzusteigen, anstatt das Auto nutzen zu müssen. Hier ist die nachhaltige Erneuerung der Greifswalder Straße und die Neugestaltung der zentralen Promenade geplant. Dazu gehört die Sanierung der Fuß- und Radverbindung. Auch soll eine grüne Fuß- und Radverbindung von Reinickendorf und Lichtenberg erfolgen.
Natur nimmt einen großen Platz im Naturschutzkonzept ein. So erkennt der Bezirk die wichtige Rolle von Mooren an, die global zwar nur drei Prozent der Landfläche ausmachen, aber ein Drittel den gesamten organischen Kohlenstoff speichern. Ziel ist es die Pankower Moorlandschaften wiederherzustellen, Naturschutzgebiete auszuweiten und mehr Parks und öffentliche Räume zu schaffen. Bis 2025 sollen zum Beispiel elf Maßnahmen im Park Weißensee umgesetzt werden. Dazu gehört der Schutz des Ufers und das Ermöglichen der Selbstreinigung des Sees.
Auch private Haushalte sollen unterstützt werden. Plan ist Bürger*innen zu bestärken eigene Entscheidungen zu treffen. Das soll durch Orte wie das Umweltbüro, die Volkshochschule und die Koordinierungsstelle Umweltbildung erfolgen. Aber auch Förderung von Mülltrennung, Recycling, Teilen und Wiederverwendung von Ressourcen sei wichtig. Das kann man zum Beispiel durch die »Bibliothek der Dinge«, bei der Bürger*innen sich Werkzeuge ausleihen können. Angelika Haaser, Klimaschutzbeauftragte von Pankow erklärte »Es ist uns ein Anliegen, ihnen Wissen an die Hand zu geben und sie für einen nachhaltigen Alltag zu motivieren.«
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Hier stimmte Klimareferent Krümmel zu, es sei wichtig emotionale Brücken zwischen Bürger*innen und Klimaschutz zu stärken. Das könne durch Foren und runde Tische geschehen. »Eine Fahrradstraße hat auch eine emotionale Bedeutung. Sie zeigt ›Hey, wir können etwas verändern‹ «. Aber man sollte die gesamte Verantwortung nicht auf die Schultern der Bürger*innen tun, sondern auch diejenigen mit einem großen C02 Fußabdruck in die Pflicht nehmen.
Ob die Praxis genauso positiv sein werde wie die Theorie, da war Janna Einöde Pressereferentin des NABU skeptisch. Sie erklärte dem »nd« auf Nachfrage: »Ob und wie die Maßnahmen genau umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Wir von NABU sind da erfahrungsgemäß etwas skeptisch und hoffen, dass dieses ambitionierte Klimaschutzkonzept nicht noch ein Papiertiger wird, sondern der Bezirk Pankow in Sachen Klimaschutz vorangeht.« Was Hoffnung gebe, war der jährliche Maßnahmen- und Fortschrittsbericht, der häufig in diesen Konzepten ausgespart wird.
So erklärte der BUND in einem Pressestatement die Konsequenzen der Kürzungen des Berliner Senats. So wurden knapp 30 Prozent der Mittel im Bereich Umweltbildung durch freie Träger gekürzt. Die Investitionen und Zuschüsse für die Umsetzung des Berliner Energie- und Klimaprogramms 2030 wurden um 40 Prozent gekürzt. Und das Berliner Programm für nachhaltige Entwicklung, welches anstrebt energieeffiziente, klimafreundliche, gesund, mobile Investitionen für 2025 zu fördern, erlebt eine Kürzung von 38 Prozent.
Vielleicht deshalb schrieb das Pankower Bezirksamt, dass die vorgesehenen Maßnahmen unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der erforderlichen Ressourcen stehen.
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