8. Mai als Gedenktag: Erfolg für Sachsens Linke im 205. Anlauf

Landtag stimmt für 8. Mai als Gedenktag. Genossen werden als Mehrheitsbeschaffer gebraucht

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Im sächsischen Torgau trafen Ende April 1945 sowjetische und US-Truppen aufeinander. Am 8. Mai war der Zweite Weltkrieg dann zu Ende.
Im sächsischen Torgau trafen Ende April 1945 sowjetische und US-Truppen aufeinander. Am 8. Mai war der Zweite Weltkrieg dann zu Ende.

Der vergangene Mittwoch war ein »historischer Tag für den sächsischen Landtag«, sagt Kerstin Köditz. Die Landesvorsitzende des NS-Opferverbands VVN-BdA im Freistaat verweist auf die Entscheidung, den 8. Mai offiziell zum Gedenktag zu erklären. Damit werde eine »alte Forderung der antifaschistischen wie der Friedensbewegung erfüllt«, sagt Köditz und spricht von einem »Grund zu feiern«.

Ein historisches Ereignis war der Sitzungstag indes auch aus einem anderen Grund. Die Initiative für den neuen Gedenktag war von der Linksfraktion gekommen – die ein Novum erlebte: Erstmals seit 1990 erhielt einer ihrer Gesetzentwürfe im Dresdner Parlament eine Mehrheit. Zuvor hatten die Fraktionen der Linken und der PDS insgesamt 204 derartige Initiativen eingebracht. Doch ganz gleich, ob es um einen eigenen Entwurf für eine Verfassung, um Schul- oder Abgeordnetengesetze, ein Kleingartengesetz oder einen Vorstoß für eine Antifa-Klausel ging: Die Entwürfe fielen allesamt durch. Grund dafür war ein Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, die in den vergangenen 35 Jahren an allen Regierungen in Sachsen beteiligt war und die Genossen konsequent ausgrenzte.

Auch Vorstöße der Linken für einen Gedenktag am 8. Mai hatte sie in der Vergangenheit zweimal ignoriert. Einen solchen hatte diese erstmals 2010 zum 65. Jahrestag der Befreiung unternommen, dann erneut fünf Jahre später anlässlich des 70. Jahrestags. Damals machte sie sogar Zugeständnisse: Weil die Formulierung »Befreiung vom deutschen Faschismus« im Gesetzestext in anderen Fraktionen auf Bedenken stieß, wurde sie gestrichen. Man hoffe dadurch, sagte der Abgeordnete Franz Sodann, auf einen »Betrag zu einer neuen Debatten- und Erinnerungskultur«. Das Protokoll verzeichnete indes »vereinzelt Lachen bei der CDU«, die den Antrag wie gewohnt ablehnte.

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Es mussten weitere 15 Jahre vergehen, bevor im Dresdner Landtag tatsächlich eine neue Debattenkultur Einzug gehalten hat. Den Anstoß dafür gaben die sächsischen Wähler bei der Landtagswahl am 1. September. Die CDU fuhr dabei mit 31,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1990 ein. Den Versuch, anschließend mit SPD und BSW eine Regierung zu bilden, ließ die Wagenknecht-Partei scheitern. Weil CDU-Landeschef Michael Kretschmer eine Koalition mit der AfD ausschließt, blieb nur ein Minderheitskabinett mit der SPD, das für jeden Beschluss auf zehn Stimmen aus der Opposition angewiesen ist.

Ergebnis ist auch eine deutliche Charmeoffensive in Richtung der Linken. Diese wird nicht nur an einem »Konsultationsmechanismus« beteiligt, in dem die Koalition für jede ihrer Initiativen sondiert, inwieweit es ausreichend Zustimmung bei der Opposition gibt. Entgegenkommen gibt es auch mit Blick auf einzelne politische Forderungen, konkret zunächst einen Gedenktag am 8. Mai. Die Übernahme dieser »langjährigen Forderung« ist nach Ansicht von Susanne Schaper, Landes- und Fraktionschefin der Linken, ein »erster Beleg dafür, dass die Minderheitskoalition es mit der neuen politischen Kultur ernst meint«.

»Das ist ein erster Beleg dafür, dass die Minderheitskoalition es mit der neuen politischen Kultur ernst meint.«

Susanne Schaper Fraktionschefin Die Linke

In der CDU sorgt die neue Offenheit gegenüber der Linken für Grummeln. Mancher in der Partei macht schon die Zugeständnisse an SPD und Grüne in der Vorgängerregierung für den Niedergang in der Wählergunst verantwortlich und sieht nun endgültig eine rote Linie überschritten. Für die rechtskonservative »Heimatunion« sprach Matthias Grahl, Schatzmeister der Landes-CDU, mit Blick auf das Votum zum 8. Mai von einer »geschichtsvergessenen Entscheidung«.

Von der Linken wiederum werden im Tausch für Zugeständnisse wie zum 8. Mai Gegenleistungen erwartet, konkret: Stimmen. Im Fall der Wahl Kretschmers zum Ministerpräsidenten hat das geklappt. Die nächste große Hürde ist der Doppelhaushalt für 2024/25, der diese Woche in erster Lesung im Landtag behandelt wird und möglichst vor der Sommerpause beschlossen werden soll. Allerdings sieht der Regierungsentwurf gravierende Einschnitte gerade in Bereichen vor, die für die Linke essenziell sind. So seien im Bereich der Erinnerungsarbeit, die mit dem neuen Gedenktag eigentlich gestärkt werden soll, »Einsparungen, Reduzierungen oder Stagnation« vorgesehen, erklärt die sächsische Landesarbeitsgemeinschaft »Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« und forderte die Landtagsfraktionen eindringlich zu Nachbesserungen auf.

Sachsen ist das sechste Bundesland, in dem das Datum zum Gedenktag erklärt wurde. Zuvor geschah das in Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen, wo es Regierungsbeteiligungen der Linken gab oder gibt, sowie in Schleswig-Holstein, wo eine Petition Erfolg hatte. In Berlin ist der 8. Mai ein Feiertag und in diesem Jahr zum zweiten Mal nach 2020 arbeitsfrei. Auch in Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist er ein Feiertag.

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