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Einfluss der USA am Panamakanal: Unter einem rechten Präsidenten
Das US-Militär nutzte jahrzehntelang seine Stützpunkte am Panamakanal. Nun planen die USA ihre Präsenz in Panama weiter auszubauen
Zum achten Weltwunder dauert es nicht lange. Eine halbe Stunde Autofahrt von Panama City entfernt gibt das Besucherzentrum Miraflores – gegen stolze 18 Dollar Eintritt – den Blick auf die legendäre Wasserstraße frei. Von der Schatten spendenden Terrasse herab sind links in der Ferne auf offenem Wasser die Umrisse von Containerschiffen zu erkennen. Sie kommen vom Pazifik und werden sich nach einer Wartezeit der Reihe nach in Schleusenkammern nach oben hieven lassen und dann weiterfahren. Nach rechts hin verliert sich die Wasserstrecke in tropischem Dschungelgrün. Wenn an den Miraflores-Schleusen ein Tausende Tonnen schwerer, 300 Meter langer und mehrere Stockwerke hoch beladener Frachter von Traktoren mithilfe von Stahlseilen in nächster Nähe entlanggezogen wird, brechen die Zuschauer in Applaus aus. Die Schiffsbesatzungen oben an der Reling jubeln zurück.
Erst jetzt erschließt sich das Ausmaß und die Bedeutung des Kanals. Um die 80 Kilometer Strecke vom Pazifik zum Atlantik oder den umgekehrten Weg zurückzulegen, müssen die Schiffe einen Höhenunterschied von 26 Metern überwinden. Ein ausgeklügeltes Schleusensystem hebt sie und senkt sie wieder ab. Die Reise dauert acht bis zehn Stunden. Durchschnittlich passieren pro Tag 34 Frachter den Kanal – mit Waren, die sechs Prozent des Welthandels ausmachen.
»America First« gegen China spielt sich längst ab: in Panama an dessen strategisch wichtiger Wasserstraße. Nach wochenlangem politischen Druck, nach Drohungen und nach dem Panama-Besuch von Außenminister Marco Rubio gab sich Trump erfreut: »Meine Regierung wird den Panamakanal zurückerobern, und wir haben bereits damit begonnen«, sagte er über einen Milliardendeal, als handele es sich um einen geopolitischen Sieg. Denn Blackrock will das weltweite Hafengeschäft des Konzerns CK Hutchison mit Sitz in Hongkong für 22,8 Milliarden US-Dollar aufkaufen. Der Deal betrifft auch zwei Häfen, die CK Hutchison am Panamakanal betreibt – was die US-Regierung als erfolgreiche Zurückdrängung Chinas auslegt.
Aber Trump war zu voreilig. Denn zu der für den 2. April angekündigten Vertragsunterzeichnung kam es nicht. Der Grund: Chinas Marktregulierungsbehörde äußert wettbewerbsrechtliche Bedenken. Peking ist verärgert, da es nicht konsultiert wurde, und sieht die Häfen als strategische Assets. In einem Ende März veröffentlichten Beitrag auf Weibo, der mit dem staatlichen Sender CCTV verbunden ist, hieß es, der Verkauf der Häfen komme »dem Überreichen eines Messers an einen Gegner gleich«. Aus dem Weißen Haus gibt es dazu bisher keine Stellungnahme.
Die Miraflores-Schleusen gingen Anfang Februar durch die Weltpresse. Denn dorthin führte der erste Auslandsbesuch des neuen US-Außenministers Marco Rubio. Er ließ sich den Kanal zeigen und traf sich mit Panamas konservativem Präsidenten José Raúl Mulino. Tags darauf, bei seiner zweiten Station in El Salvador, ließ sich Rubio über Panama, den Kanal – und über China – aus. Im Duktus klang er diplomatisch. Aber inhaltlich hatte er dasselbe zu sagen wie sein Chef US-Präsident Trump: China kontrolliere den Kanal, Panama habe gegen den Vertrag mit den USA verstoßen, deshalb werde man den Kanal, so Trump, entweder »zurücknehmen oder irgendetwas sehr Gewaltiges wird passieren«. Im öffentlichen National Public Radio der USA stellte der ehemalige US-Botschafter in Panama, John Feely, der in dieser Funktion zwei Jahre in der ersten Trump-Amtszeit gedient hatte, dagegen klar: Die private chinesische Holding CK Hutchison habe nichts mit dem Militär zu tun und verfüge über keinerlei logistische Kapazitäten, um den Kanal in irgendeiner Weise zu blockieren. Der Kanal werde von einer unabhängigen Institution betrieben. Feely fügte allerdings hinzu, Chinas wirtschaftliche Investitionstätigkeit in Panama »und darüber hinaus« würde für die USA eine »Bedrohung« darstellen, nämlich dort, wo die USA keine Investitionen tätigen.
Jahrzehntelang hatte in und um den Panamakanal business as usual geherrscht. Weder in Trumps erster Amtszeit noch im Wahlkampf 2024 war Panama Thema. Erst nach seiner Wahl im November drohte er erstmals dem Land, wie auch Grönland und Kanada, mit der Übernahme.
Die »Verhandlungs«-Ergebnisse zwischen Rubio und Mulino: Die USA würden den Darién-Dschungel, eine Flüchtlingspassage an der Grenze zu Kolumbien, nicht nur weiter überwachen, sondern dort auch einen Militärflughafen errichten. Panamas Präsident Mulino werde zwei Hafenverträge mit dem in Hongkong beheimateten Konzern CK Hutchison überdenken, eine technische Kommission zur Modernisierung des Kanals zusammenstellen sowie der US-Marine weitere Vorzugsrechte bei der Kanaldurchquerung einräumen. Die Botschaft Panamas in Peking teilte der chinesischen Regierung mit, das Land steige offiziell aus der Belt-and-Road-Infrastrukturinitiative zum Aufbau internationaler Handelsnetze aus.
Zona de Canal – US-Abhörstation und Ex-Folterschule im Regenwald
Richtung Atlantik erstreckt sich jeweils acht Kilometer beiderseits des Kanals die Zona del Canal de Panamá. Über ein Drittel des Kanals besteht aus dem vor über 100 Jahren angelegten künstlichen See Lago Gatún. Er war für den Kanalbau durch die Aufstauung des Río Chagres geschaffen worden. Die auf einer Anhöhe gelegene Hotelanlage am Gamboa-Regenwald bietet eine famose Aussicht auf den Lago Gatún und seine dicht bewachsenen Inseln. Auf dem Gelände gibt es einen ausladenden Schmetterlingspark und ein großes Gehege mit heimischen Faultieren. Ausflügler unternehmen Kanu-Touren hinüber zum Monkey Island, wo Äffchen, Alligatoren und Papageien in freier Wildbahn zu bestaunen sind. Papageien krächzen, es riecht nach Dschungel.
1977 hatte US-Präsident Jimmy Carter mit dem Diktator von Panama Omar Torrijos die Übergabe des Kanals und seiner Zone, insgesamt 1500 Quadratkilometer, vereinbart. Ende 1999 ging das Gebiet, das Panama vom Pazifik bis zur Karibik trennte, tatsächlich in die Hoheit des Landes über.
Hinweise auf die blutige Geschichte der Zona del Canal de Panamá gibt es bis heute in der Gegend keine. Dass die US-Amerikaner hier das Sagen hatten – darauf verweisen allenfalls amerikanische Straßennamen Morrow Boulevard oder Harding Avenue, oder hier und dort verlassene und mit Sperrholzplatten verdeckte Fenster in Vierteln mit Einfamilienhäuschen amerikanischen Baustils. Die USA unterhielten hier jahrzehntelang bis zu 130 Stützpunkte. Fort Gulick weiter nördlich vom Gamboa-Regenwald diente von 1949 bis 1984 als militärisches Ausbildungszentrum der berüchtigten U.S. Army School of the Americas. Heute ist das Gebäude ein Luxusresort. Damals brachten US-Offiziere Militärschülern aus Zentral- und Südamerika nicht nur bei, wie mit Foltertechniken Geständnisse von Oppositionellen erpresst und spurloses Verschwindenlassen bewerkstelligt werden konnte, sondern auch Methoden der militärischen Aufstandsbekämpfung. Von Fort Gulick aus wurde Operation Condor koordiniert, das war ein Verbund lateinamerikanischer Geheimdienste – Hunderte von Gewerkschaftern, Menschenrechtsaktivisten, Priestern und Linken »verschwanden« in den 70er Jahren. Über die Jahrzehnte waren fast 30 000 staatlich bezahlte Gewalttäter und Mörder lateinamerikanischer Nationalitäten im panamaischen Regenwald unter US-Regie graduiert. Zu den Diktaturen, die ihre Dienste in Anspruch nahmen, gehörten Argentinien, Chile, Guatemala, El Salvador und Honduras. Die »Schule« war Millionen von Menschen in der Hemisphäre als Escuela de Asesinos (Schule der Mörder) bekannt.
Radarstationen und die Luftraumüberwachung machten die US-Militärpräsenz in der Kanalzone zum Horchposten für ganz Lateinamerika.
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Die in Panama stationierten US-Elite-Truppen standen unter dem Südkommando der US-Armee, U.S. Southcom. Es war von der Kanalzone aus verantwortlich für die Führung und Koordination aller militärischer Operationen in Lateinamerika. Radarstationen und die Luftraumüberwachung über dem gesamten Luftraum machten die Militärpräsenz der USA in der Kanalzone zum Horchposten für ganz Lateinamerika. Die USA testeten hier chemische Waffen, darunter auch Sarin und das in Vietnam eingesetzte Entlaubungsmittel Agent Orange. Bis heute haben die Behörden von Panama keinerlei Informationen über die Zahl und die Testorte der Kampfmittel erhalten. Wer durch den Regenwald wandert und die Flora und Fauna bewundert, bekommt davon nichts mit.
Im kollektiven Gedächtnis der Panamaer eingebrannt bleibt die mehrwöchige US-Invasion, die Anfang Januar 1990 mit der Gefangennahme des Diktators Manuel Noriega endete. Er stand auf der Gehaltsliste der CIA und war gleichzeitig in Drogengeschäfte mit dem Medellin-Kartell verwickelt. Als Noriega den USA außer Kontrolle geriet, begann die größte Luftlandeoperation nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei starben Hunderte panamaische Soldaten und mehrere Tausend Zivilisten.
Ganz aktuell soll die US-Militärpräsenz in Panama wieder aufgestockt werden. Laut Presseberichten von Mitte März werden eine erhöhte Truppenpräsenz sowie »engere Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften« vorbereitet – was angesichts der Kräfteverhältnisse bedeutet, dass Panama den Anordnungen der USA Folge leisten wird. Dass die USA militärisch gegen die chinesische Präsenz in Panama vorgehen oder gar eine Invasion des Landes vornehmen, sei unwahrscheinlich, hieß es in einem NBC-Bericht unter Berufung auf Militärquellen.
Panama City – Glanz und Elend einer Metropole
Der Business- und Finanzdistrikt von Panama City sucht in Zentralamerika seinesgleichen. Die Skyline, die sich am Pazifik entlangzieht, kann es durchaus mit US-amerikanischen Großstädten aufnehmen. Der F & F Tower, ein 52-stöckiger Büroriese mit 242 Metern Höhe, ist lokal als »Korkenzieher« bekannt und ein von überallher zu erkennendes architektonisches Meisterwerk. Frank Gehrys Biomuseo im Südwesten der Stadt unweit des Panamakanals sieht aus, als seien bunte Spielzeugbauklötze ineinander verkeilt und zieht Touristen aus aller Welt an. In Hochhausbars im 40. Stockwerk um Mitternacht mit Blick über die Lichterstadt Cocktails zu schlürfen – kein Problem für die, die es sich leisten können. Die übergroße Mehrzahl der Panamaer gehört nicht dazu.
In einem der vielen Viertel abseits der glitzernden Hochhaus- und Touristenwelt befindet sich an einer Straßenecke ein weiß gestrichenes einstöckiges Gebäude. Auf den roten Fenstermarkisen im ersten Stockwerk sind die Worte »lucha« (Kampf), »honestidad« (Ehrlichkeit), »dignidad« (Würde) und »equidad« (Gleichheit) angebracht. Es handelt sich um einen Treffpunkt von Gewerkschaftern und Linken.
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Der Chef der militanten Bauarbeitergewerkschaft SUNTRACS (Sindicato Único Nacional de Trabajadores de la Industria de la Construcción y Similares, Gewerkschaft der Bauarbeiter und verwandter Gewerbe) Saul Mendez sagt den Interviewtermin in letzter Minute telefonisch ab. Er müsse sich um inhaftierte Genossen kümmern, entschuldigt er sich. Denn die Gewerkschaften haben seit der Mobilisierung gegen eine geplante Rentenreform und seit den Protesten gegen den Besuch von US-Außenminister Marco Rubio mit staatlichen Repressionen zu kämpfen.
Genaueres dazu erläutert stattdessen Ronaldo Ortiz, der Leiter der linken »Frenadeso«, eine spanische Abkürzung für Nationale Front für die Verteidigung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte, seit 2007 ein Zusammenschluss von indigenen Bauern, Studierenden, Gewerkschaften und kommunalen Aktivisten. Ortiz weist auf die rechte politische Karriere des jetzigen Präsidenten Mulino hin, der zwischen 2009 und 2014 Sicherheitsminister in der Vorgängerregierung Martinelli war. Schon damals sei Mulino mit repressivem Verhalten gegenüber sozialen Bewegungen aufgefallen. »Und jetzt umso mehr«, sagt Ortiz, »er bezeichnet uns als Terroristen und Unruhestifter«. Mitte Februar seien bei Protesten gegen die Rentenreform unter Mulinos Regie »mehr als 500 Genossen rechtswidrig und auf brutalste Weise festgenommen worden«. Zudem weist Ortiz auf das in Panama operierende Südkommando der US-Armee hin, »das hinter der panamaischen Regierung steht«. Einheiten des nationalen Grenzdienstes sowie der nationalen Luftwaffe und Marine würden in Städten von Panama gegen Demonstranten eingesetzt. Hinzu käme »der Justizterror«.
Auch die 63-jährige Akademikerin und Politikerin Maribel Gordón Calderón ist zum nd-Interview ins Gewerkschaftshaus gekommen. Die 40 000 Mitglieder zählende SUNTRACS-Gewerkschaft sei »die größte im Land und verfügt über den besten Tarifvertrag in ganz Lateinamerika«, sagt sie. Genau deshalb werde sie mit scharfer Repression überzogen. Gordón unterrichtet politische Ökonomie an der Universität von Panama. Im vergangenen Jahr war sie als unabhängige und einzige linke Präsidentschaftskandidatin zu den Wahlen am 5. Mai mit einem »plan para la vida digna« (Plan für ein würdiges Leben) angetreten, hatte aber nur knapp über ein Prozent der Stimmen erhalten. Hauptgründe für das enttäuschende Ergebnis sind für sie Klientelismus, oligarchische Wahlkampffinanzierung und die Parteiverdrossenheit der Bevölkerung. Aber Maribel Gordón Calderón gibt nicht auf. Jetzt arbeitet sie zusammen mit anderen Linken und Unabhängigen an einem neuen Bündnis namens Frente Amplio por la Democracia, um zunächst die Rentenreform zu verhindern. Denn ihre Durchsetzung würde »Armuts- und Hungerrenten bedeuten, während die Mittel aus den Sozialversicherungsfonds an die Banken und Oligarchen gehen«.
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