Linke Feuerspucker: Ein Gruß aus der Manege

Die Kommunikation der Linken muss nicht peinlich sein. Und ihr Erfolg im Wahlkampf war kein Zufall

  • Liza Pflaum, Aaron Bruckmiller
  • Lesedauer: 5 Min.
Explodierende Mieten und Preise, vor allem für Lebensmittel, waren das zentrale Thema der Linken im Bundestagswahlkampf.
Explodierende Mieten und Preise, vor allem für Lebensmittel, waren das zentrale Thema der Linken im Bundestagswahlkampf.

Der Erfolg hat viele Mütter. Die Linke hatte im jüngsten Bundestagswahlkampf ein geschlossenes Team an der Spitze, sie hat sich an Haustüren und in den sozialen Medien abgerackert. Und einfach gute Laune ausgestrahlt. Genauso mitentscheidend für den Erfolg aber war die strategische Erzählung. Sie wurde ziemlich konsequent verfolgt.

Was ist eine Erzählung? Viele verstehen darunter eine Deutung von Ereignissen, die so oder so gesehen werden könnten. Die politische Strategie soll dann sein, die eigene Erzählung so oft zu wiederholen, dass sie von möglichst vielen Menschen geglaubt wird. Marketing also, oder mit böserer Zunge gesprochen: Propaganda. Beides ist Teil von politischer Kommunikation. Wer etwas anderes behauptet, belügt mindestens sich selbst.

Und doch gibt es Unterschiede. Klassisches Marketing für Waren kann sicherlich eins zu eins für Parteien verwendet werden. Die neoliberalen Techniken, die auch von fortschrittlichen Parteien verwendet werden, fallen jeder und jedem bestimmt selbst schnell ein. Damit unvereinbar ist unseres Erachtens aber ein wesentliches Merkmal für die Erzählung einer linken Partei.

Die Linke hat im Wahlkampf jedes Thema nach dem Prinzip »Wir da unten gegen die da oben« erzählt. Und die da unten sind stärker, wenn sie sich zusammenschließen.

Auch ohne bibelfest zu sein, dürfte man die Geschichte von David und Goliath kennen. Der Legende nach besiegte der kleine Hirtenjunge David den riesenhaften Goliath. Geschichten von unerwartet erfolgreichen Underdogs werden oft erzählt. Und genauso gerne erzählt. Dieses erfolgversprechende Prinzip haben sich Die Linke und ihr Spitzenpersonal in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu eigen gemacht.

Die Linke hat jedes Thema nach diesem Prinzip erzählt: »Wir da unten gegen die da oben«. Doch anders als in der Geschichte aus der Bibel werden die Reichen und Mächtigen eher besiegt, wenn die da unten nicht alleine vorgehen, sondern sich zusammenschließen. Diese Unten-gegen-oben-Erzählung ist ein Grund, warum die Kommunikation der Linken in diesem Wahlkampf so effektiv war.

Der andere Grund war der Fokus. Statt sich zu verzetteln, beschloss Die Linke früh und ausgehend von Gesprächen an den Haustüren, den Fokus auf zwei Themen zu legen: Mieten und Preise müssen runter. Neben der allgemeinen Teuerung und den Wuchermieten wurde bei anderen Themen zwar Haltung gezeigt und auf Nachfrage geantwortet. Aber auf den eigenen Kanälen wurde hauptsächlich über volle Kühlschränke und ein sicheres Zuhause für die angesprochenen Menschen und ihre Liebsten geworben. Dieser Fokus ist der zweite Grund für die erfolgreiche Kommunikation der Linken.

Der Rest ist Handwerk. Niemand will hören, dass eine Partei über sich selbst sagt, dass sie recht hat. »Ich finde«-Botschaften kommen besser an als die Verkündung der Wahrheit. Und noch mehr Geschichten über die Vorteile des Neun-Euro-Tickets für alleinstehende Menschen. Einfache Sprache ist verständlicher als linker Jargon. Zuspitzungen – ohne unwahr oder unklar zu werden – sorgen für mehr Aufmerksamkeit als übertriebene Abwägungen. Und Menschen werden dann angesprochen, wenn das, was ihnen wichtig ist und was sie richtig finden, im Zentrum stehen. Die Linke betonte in diesem Wahlkampf also die geteilten Werte. Gemeinsamkeiten und Ehrlichkeit schaffen emotionale Verbindung. So wurden Heidi Reichinnek und Jan van Aken in Tausenden Memes zu »Queen« oder »Jan van Atzen« und ihre Reden zu Hits auf Tiktok. Politik ist kein Seminar an der Uni.

Wohin geht die neue Linke?

Die Linkspartei ist nicht mehr die, die sie noch im vergangenen Jahr war. Von den nun über 100.000 Mitgliedern kam die Hälfte im letzten halben Jahr dazu. Wie stellt sich diese neue Linke gegen den politischen Rechtsruck? Wie setzt sie sich mit neuen gesellschaftlichen Konflikten auseinander? Fragen, denen wir in der Serie »Wohin geht die neue Linke?« nachgehen.

Politik ist auch Marketing. Kombiniert mit einer bodenständigen und selbstkritischen Haltung kann es mehr sein. Die Stichworte sind Gehaltsverzicht und Fehler zugeben. Doch entscheidender ist: zuhören statt volllabern. Das gilt an den Haustüren genauso wie in der restlichen Kommunikation. Linke finden oft das genaue Gegenteil von dem gut, was die Menschen schätzen, die man erreichen will. Daher sollten die Botschaften vorher getestet werden. Wer kein Budget für professionelles Testen hat, kann dafür auch einfach die sozialen Medien nutzen. Politische Kommunikation braucht starke Botschaften, die Menschen verstehen. Und Botschaften sollten nur verwendet werden, wenn sie funktionieren – sonst sprechen sie niemanden an.

Und zuletzt noch ein Wort zu Jan van Akens Pöbeleien und Heidi Reichinneks direkter Sprache. Manche fanden den einen oder anderen Auftritt zu impulsiv. Doch sehr viele Menschen wünschen sich genau das: Politiker*innen, die so sprechen, wie man auf der Straße spricht. Vielen geht der Politsprech auf die Nerven. Die Linke hat im Wahlkampf gesprochen, wie viele Menschen es im Alltag tun – und das ist auch gut so. Denn Menschen wollen echten Menschen zuhören. Und nicht durchtrainierten Robotern, die nie auf Fragen antworten und alle gleich klingen.

Es braucht für eine strategische Erzählung also mehrere Ebenen der Kommunikation. Neben der Ebene der Inhalte gibt es andere, die wichtig sind, um eine Erzählung glaubhaft zu verkörpern: Gefühle, eine persönlichere Sprache als den üblichen Jargon und das passende Outfit etwa. Für einige Linke mögen das Oberflächlichkeiten sein.

Aber seien wir ehrlich: Linke Kommunikation war in der Vergangenheit oft peinlich. Wenn Linke in der Manege des Medienzirkus prominent auftauchten, dann zu oft als Clowns. Jetzt sind sie eher die Feuerspuckerinnen. Und das ist kein Zufall, sondern Ergebnis einer konsequent verfolgten Strategie.

Liza Pflaum und Aaron Bruckmiller sind für die strategische Kommunikation des Linke-Vorsitzenden Jan van Aken verantwortlich.

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