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Historischer Blackout in Spanien und Portugal
Nach dem Zusammenbruch des Stromnetzes in Spanien und Portugal kehrt erst langsam wieder Normalität ein
Es gebe einen wieder »normalisierten Betrieb des Stromsystems«, verkündete der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica de España (REE) am Dienstagmittag zur Erleichterung von Millionen Bürgern. Alle Umspannwerke würden wieder mit Strom versorgt, twitterte das Unternehmen. In Portugal hätten inzwischen alle 6,5 Millionen Haushalte wieder Strom, ließ die Regierung in Lissabon wissen. Die Wasserversorgung funktioniere nahezu landesweit – und auch das gesamte Verkehrssystem sei nach dem Stromausfall wieder weitgehend in Betrieb, hieß es.
Trotzdem verhängte die spanische Regierung den »Notstand« in allen Gebieten, in denen Regionalregierungen das wollten. Dies zeigt, dass das Land von einer Normalität noch weit entfernt ist. Am Montag gegen 12.30 Uhr war es zu einem historischen Stromausfall gekommen, der weite Teile der Iberischen Halbinsel lahmlegte. Das öffentliche Leben kam vielerorts nahezu zum Erliegen: Menschen steckten in Aufzügen, U-Bahnen und Zügen fest. Allein in der Hauptstadt Madrid mussten etwa 150 000 Menschen aus Metrozügen »evakuiert« werden. Meist traten die mit Gepäck einen kilometerlangen Marsch im Tunnelsystem an. Der Straßenverkehr kam unter anderem in der Hauptstadt in den hoffnungslos verstopften Straßen ohne Ampeln oft völlig zum Erliegen. In Kliniken mussten Notstromaggregate einspringen. Wer auf digitale Infrastruktur angewiesen war, konnte nicht arbeiten.
Zahllose Menschen mussten die Nacht in Bahnhöfen, Flughäfen oder auf der Straße verbringen. Touristen waren oft verloren, da auch das Handynetz und das Internet in vielen Gegenden komplett ausfielen. Einige versuchten in stundenlangen Märschen durch die Städte eine Unterkunft zu finden. Bankautomaten gaben derweil kein Geld aus. Bezahlen konnte man weder mit der Kreditkarte noch mit dem Handy. In elf Zügen saßen auch fast zwölf Stunden nach dem Blackout noch viele Menschen fest, als der spanische Regierungschef Pedro Sánchez gegen 23 Uhr am Montag vor die Presse trat und erklärte: »So etwas ist noch nie passiert.«
Am Dienstagnachmittag wurden immer noch nicht alle Haushalte wieder mit Strom versorgt, und auch der öffentliche Nah- und Fernverkehr rollte nicht normal. In Katalonien, wo im ausgezehrten Zugsystem ohnehin eher Ausfälle und Verspätungen an der Tagesordnung sind, wurde der Betrieb aufgrund der »Spannungsinstabilität im Stromnetz« wieder komplett ausgesetzt. Ähnlich in Galizien, wo das Eisenbahnunternehmen Renfe die Reisenden aufforderte, nicht zu den Bahnhöfen zu kommen. Schneller in Betrieb waren hingegen alle Flughäfen.
Ultrarechte Kreise spekulierten in sozialen Medien schnell über eine Cyberattacke.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez kündigte eine Untersuchung der Gründe des massiven Blackouts an. Ähnliches verlautete aus Portugal und von der EU-Kommission, da beide Länder Teil des europäischen Stromnetzes sind. Sánchez sagte, es gelte herauszufinden, warum am Montagmittag »in knapp fünf Sekunden 15 Gigawatt Leistung verschwunden sind«. Das waren etwa 60 Prozent des zu diesem Zeitpunkt prognostizierten Bedarfs. Er wollte dabei noch keine »Hypothese oder irgendeine Möglichkeit auszuschließen«.
Ultrarechte Kreise spekulierten in sozialen Medien schnell über eine Cyberattacke. Die Zeitung »La Razón« bemühte angebliche Quellen im Geheimdienst CNI. Doch der dementierte schnell und erklärte, keine Hinweise auf einen solchen Angriff zu haben. Auch der ehemalige portugiesische Regierungschef António Costa, nun EU-Ratspräsident, teilte mit, es gebe keine Hinweise darauf. Portugal war es, anders als Frankreich, nicht schnell genug gelungen, sich vom spanischen Stromnetz zu trennen, weshalb das Land mit in den Blackout gerissen wurde.
Mittlerweile schließt auch der Netzbetreiber REE einen Cyberangriff aus: »Wir konnten feststellen, dass es kein Eindringen ins Kontrollsystem von Red Eléctrica gegeben hat«, hieß es in einer Mitteilung. Das privatisierte Unternehmen muss sich nun viele Fragen gefallen lassen. Erst am 9. April hatte REE angesichts von Warnungen erklärt: »Es besteht kein Risiko für einen Blackout.«
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Als Falschmeldung stellte sich auch heraus, dass ein »seltenes atmosphärisches Phänomen« für den Stromausfall verantwortlich gewesen sei. Das hatte die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf den portugiesischen Netzbetreiber REN in die Welt gesetzt. Doch dieser dementierte schnell. Behauptet worden war, dass extreme Temperaturschwankungen zu »ungewöhnlichen Schwingungen« in den Höchstspannungsleitungen (400 Kilovolt) gesorgt hätten. Dieses Phänomen wird als »induzierte atmosphärische Variation« beschrieben.
Nach den Ursachen wird wohl noch länger zu forschen sein. Als im Januar 2021 Europa schon einmal vor einem Blackout stand, dauerte es lange bis zur definitiven Klärung. Damals führte eine Störung in einem Umspannwerk in Kroatien zu einer Kaskade von weiteren Leitungsausfällen. Diese führten dazu, dass Griechenland, Rumänien, Bulgarien und weitere Länder zeitweise vom europäischen Netz entkoppelt wurden. Und im Sommer 2021 führte ein Zwischenfall mit einem Löschflugzeug in Südfrankreich zu einem Ausfall von gut zwei Gigawatt Leistung in Spanien. Auch damals wurde die Iberische Halbinsel vom europäischen Stromnetz getrennt. Der Ausfall konnte aber mit einem sogenannten »Lastabwurf«, also der automatischen Abschaltung von Großverbrauchern, abgefangen werden.
Kurz vor Redaktionsschluss meldete sich REE-Betriebsdirektor Eduardo Prieto noch einmal: Nach neuesten Erkenntnissen habe der Ausfall von zwei Kraftwerken im Südwesten Spaniens das gesamte Stromnetz zusammenbrechen lassen. Mit Agenturen
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