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Microsoft macht den Abgang

Universität von Havanna stellt auf Linux-Betriebssystem um

  • Patricia Grogg, Havanna
  • Lesedauer: 3 Min.
Es hat lange gedauert, doch jetzt ist es beschlossene Sache: Die Universität von Havanna verabschiedet sich vom US-amerikanischen Software-Riesen Microsoft und rüstet ihr Computer-Netzwerk auf das frei zugängliche Betriebssystem GNP/Linux um.

Die Universität von Havanna ist nicht die erste staatliche Einrichtung auf Kuba, deren Computer auf das frei zugängliche Betriebssystem Linux umgerüstet werden. Schon im Mai 2005 hatte die Regierung diesen Wechsel angekündigt. Eine nationale Arbeitsgruppe sollte ihn in die Wege leiten und empfahl ihn dem Erziehungs-, Justiz-, Innen- und Hochschulministerium sowie den Streitkräften und dem Zoll. Der staatlichen Informationsbehörde, der Universität für Computerwissenschaften (UCI), dem José A. Echeverría-Institut und der Universität von Havanna wurde die technologische Umrüstung ebenfalls nahe gelegt.

Den Anfang machten die Büros der Zentralverwaltung. Auch bei der Zollbehörde laufen inzwischen alle Computer mit freier Software. An der Universität Havanna soll die mit Zustimmung des Universitätsrates beschlossene Umrüstung in mehreren Schritten vollzogen werden. Zunächst werden Professoren und technisches Personal gründlich umgeschult. 2009 will die Universität dann das kostenlose Linux-System auf breiter Front installieren. »Das Vorhaben ist langfristig angelegt«, erklärte Yudivián Almeida, Professor für Mathematik und Computerwissenschaft an der Universität der kubanischen Hauptstadt. »Man will Konflikte vermeiden und die Umstellung von Microsoft auf Linux keinesfalls abrupt vornehmen.«

Behutsamkeit ist angebracht, denn der größte Widerstand gegen die Umstellung wird von den an Windows gewöhnten Computerexperten wie den Professoren für Computerwissenschaft und den PC-Technikern erwartet. Sie müssen von Grund auf umlernen. Den Studenten bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als das im Lehrplan geforderte Pensum zu akzeptieren. »Wir müssen die Computer-Kurse überarbeiten, denn bislang wird in den meisten noch mit Microsoft Windows gearbeitet«, berichtete Almeida. Er koordiniert die Arbeitsgruppe für freie Software und Linux-Anwender an der Universität von Havanna. »Wenn Linux auf sämtlichen PCs der Universität läuft, macht es keinen Sinn, noch länger Kenntnisse über andere Betriebssysteme zu vermitteln«, erläuterte der Experte.

Nach der bereits vorgenommenen Umstellung vom Microsoft-Browser Internet Explorer auf den kostenlos angebotenen Browser Mozilla Firefox soll das zuständige Universitätspersonal jetzt lernen, von der teuren Microsoft-Bürosoftware »Office« auf das konkurrierende System »OpenOffice« umzusteigen, das sich gratis aus dem Internet herunterladen lässt. Auch Ministerien und Behörden rüsten um.

Um dem technologischen Systemwechsel in Kuba auf die Sprünge zu helfen, hat Professor Almeida auf seiner persönlichen Website die Anordnung des Staatspräsidenten von Ecuador, Rafael Correa, auf den Computern der ecuadorianischen Zentralverwaltung freie Software zu installieren, ins Internet gestellt. Im Juni 2007 hatte die neunte Ibero-Amerikanische Konferenz der für öffentliche Verwaltung und staatliche Reformen zuständigen Minister dem Vorschlag der Ibero-amerikanischen Charta für elektronische Verwaltung zugestimmt, sich um mehr Souveränität und technische Autonomie zu bemühen.

Seinen an Microsoft gewöhnten Kollegen sei der Wechsel zu der ihnen weitgehend unbekannten freien Software zu beschwerlich und auch mit dem Hinweis auf größere technologische Autonomie nur schwer schmackhaft zu machen, erläuterte Almeida. Die Verfechter von Microsoft begründen ihre ablehnende Haltung mit der angeblich schwierigeren Handhabung freier Software. Dabei trägt nach Ansicht des jungen Computer-Wissenschaftlers die allgemeine Verwendung von freier Software zu der im kubanischen Bildungsprogramm angestrebten Vergesellschaftung des Wissens bei. Überdies würden die Verweigerer übersehen, welche horrenden Lizenz-Forderungen auf die PC-Nutzer in Kuba zukommen, sobald sich die Beziehungen Washingtons zu der sozialistischen Karibikrepublik einmal normalisieren. Wegen des von den USA seit mehr als vier Jahrzehnten gegenüber Kuba verhängten Handelsembargos laufen die allermeisten der rund 380 000 in Kuba installierten Computer mit Raubkopien des Microsoft-Betriebssystems Windows. Nach Angaben des nationalen Statistikbüros benutzten 2007 33 Prozent der über sechsjährigen Kubaner einen PC. Die meisten Computer stehen in Postämtern und in den von der Jungen Kommunistischen Liga organisierten Jugend- und Elektronik-Klubs, die sich landesweit für den Umgang mit den neuen Technologien engagieren. Ein eigener Computer steht in Kuba nur in 5,2 Prozent der Haushalte. IPS

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