Genua-Prozess lässt Fragen offen
15 Verurteilungen wegen Übergriffen gegen G8-Kritiker im Jahr 2001
40 Polizisten und fünf Mediziner waren wegen gewaltsamer Übergriffe, Amtsmissbrauch, Nötigung und Fälschungsdelikten in der Polizeikaserne im Genueser Ortsteil Bolzaneto angeklagt worden. In dem am Montagabend beendeten Prozess kamen sie mit glimpflichen Strafen davon: Sie reichen von fünf Monaten bis zu fünf Jahren Haft. 30 Angeklagte wurden mangels Beweisen freigesprochen.
Allerdings werden wohl selbst die verurteilten Staatsdiener die Strafe niemals absitzen müssen. Die Straftaten verjähren bereits in einem halben Jahr und die Betroffenen haben angekündigt, in Berufung zu gehen.
Das Gericht blieb mit seinem Urteil am Ende des fast drei Jahre dauernden Prozesses deutlich hinter den Forderungen der Staatsanwälte zurück. Die 15 Verurteilten waren alle in Leitungsfunktionen der zeitweise zum Gefängnis umfunktionierten Polizeikaserne tätig. Die höchste Strafe von fünf Jahren wurde gegen den Leiter der Gefängnispolizei in Bolzaneto, Antonio Gugiotta, verhängt. Die Leiterin der Staatspolizei und den Leiter der politischen Polizei verurteilte das Gericht zu mehr als zwei Jahren Haft. Gegen einen Polizisten, der einem Gefangenen die Hand zwischen zwei Fingern mehrere Zentimeter tief eingerissen hatte, wurde eine Strafe von drei Jahre und zwei Monaten ausgesprochen.
Nach den Ereignissen im Jahr 2001 und nach den Zeugenaussagen der Opfer der Polizeigewalt in Bolzaneto vor Gericht war in der Öffentlichkeit der Vorwurf der Folter gegen die Staatsdiener erhoben worden. Doch Italien hat als einziges europäisches Land bisher kein Anti-Folter-Gesetz erlassen. Obgleich in Italien kaum noch öffentlich an den Folterpraktiken in Bolzaneto gezweifelt wird, hielt das Gericht die Gewalt für weniger schwerwiegend.
Filippo Guiglia von der Anwaltsvereinigung »Genova Legal Forum« (GLF) zeigte sich nach dem Urteil wenig erfreut. »Das Gericht hätte härtere Strafen verhängen können. Es hat eine Menge unter den Tisch fallen lassen. In einem normalen Strafprozess unter weniger politischen Vorzeichen wären die Strafen höher gewesen«, erklärte der Anwalt mehrerer Bolzaneto-Opfer. Dass dieser Prozess überhaupt zu einem Ende gekommen sei, wertete Guiglia als großen Erfolg des GLF und der Staatsanwälte. Immerhin habe man für die über 150 betroffenen Nebenkläger eine sofortige Entschädigung in Höhe von meist 10 000 Euro erstritten. Weil die Identität der Täter nur selten feststellbar war, verurteilte das Gericht die Ministerien für Justiz und Inneres zur Zahlung der Entschädigungen. Bis zuletzt wurde befürchtet, das neue »Sicherheitsgesetz« der Berlusconi-Regierung könne dem Prozess eine Zwangspause von einem Jahr auferlegen. Die Staatsanwälte hatten deshalb spontan auf ihr Schlusswort verzichtet, um den Prozess zu beschleunigen.
In einem weiteren Prozess gegen 29 teils leitende Beamte der italienischen Polizei wird gegenwärtig über die brutale Polizeirazzia in der Schule »Diaz« verhandelt. Die Schule wurde während des G8-Treffens als Schlafstätte für Gipfelgegner genutzt. In der Nacht vom 21. zum 22. Juli 2001 stürmten Polizisten das Gebäude und verletzten dabei zahlreiche Demonstranten, manche lebensgefährlich. Mehr als die Hälfte der 93 Betroffenen wurde nach Bolzaneto gebracht. Nach der Sommerpause wird auch in diesem Prozess ein Urteil erwartet.
Zurzeit erinnern Globalisierungskritiker und Menschenrechtsaktivisten anlässlich des 7. Jahrestages der Ereignisse in Genua an den Gipfelprotest 2001. Sie planen Aktionen an der Piazza Alimonda, wo der Demonstrant Carlo Giuliani damals von einem Polizisten erschossen wurde.
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