Mit Rad und Hänger zum Einkauf
Die Berliner entdecken das Fahrrad für den Lastentransport
»Das Radfahren hat in den letzten Jahren einen Imagewandel erfahren«, findet Carmen Schultze vom BUND-Landesverband. Mittlerweile sei das Velo ein allseits akzeptiertes Fortbewegungsmittel, nicht mehr nur was für Kinder, Alte oder Sportler. Anders als in Frankreich, wo seit geraumer Zeit zwar ein öffentlicher Verleih erfolgreich ist, der Radfahrer auf der Straße als Exot aber noch immer halsbrecherisch um Akzeptanz kämpft. In Berlin hat sich der Fahrradverkehr in den letzten zehn Jahren verdoppelt, weiß Martin Schlegel, Verkehrsreferent beim BUND. Im letzten Jahr wurden zwölf Prozent aller Wege mit dem Velo erledigt. In diesem Jahr dürften es durch den hohen Benzinpreis noch mehr sein. Berlin, die Fahrradmetropole, bald auf Augenhöhe mit Kopenhagen und Amsterdam.
Grund für allzu große Zufriedenheit gebe es aber dennoch nicht, meinen die beiden BUND-Mitglieder beim Blick auf die Fahrradkarte ihres Vereins. Überall befinden sich darauf grau markierte Straßen, Wege, die für Radfahrer ungeeignet sind. Gestern waren Schultze und Schlegel in Reinickendorf vor einer Kauflandfiliale in der Ollenhauerstraße, wo sie für einen Einkauf mit dem Fahrrad warben – ein neuralgischer Punkt. Denn spätestens beim Wochenendeinkauf greifen viele doch aufs Auto zurück. Tüten am Lenker und die Getränkekiste auf dem Gepäckträger sind einfach unpraktisch.
Von den täglichen Einkaufswegen werde bundesweit nur jeder zehnte mit dem Rad zurückgelegt, meint Schultze. Da gebe es Handlungsbedarf. Seit einiger Zeit seien bei Familien bereits Fahrradanhänger für den Einkauf beliebt, die auch Kinder transportieren, sagt Schlegel. Aber es gibt auch solche Modelle, die als Einkaufswagen mit in den Laden genommen werden und wie ein Trolley hinterhergezogen werden können.
Auch Kurierdienste entdecken das Fahrrad zunehmend für den Lastentransport. Ken Brensmead von der Firma »Messenger« berichtet, dass innerhalb des S-Bahnrings der Anhänger für kleinere Strecken immer beliebter werden. »Drei Umzugskartons und bis zu 100 Kilo Last können mit dem Anhänger transportiert werden«, erzählt Brensmead. Für ihn liegen die Vorteile auf der Hand: Mühelos könnten die Velos an Ampeln die wartenden Autos passieren, und zudem erübrige sich meistens die Suche nach einem Parkplatz.
Beim privaten Einkauf im Supermarkt hingegen seien die Bedingungen für Radfahrer längst noch nicht optimal, meint Schultze. Nur selten gebe es ausreichend Stellplätze für Fahrräder. So wäre es ein positives Zeichen, wenn auch mal ein Autostellplatz für Räder freigegeben würde, findet Schlegel.
Der BUND-Aktionstag stand im Zeichen einer europaweiten »Woche der Mobilität«, die noch bis Montag andauert. Berlin beteilige sich daran mit Beispielen aus dem Alltag, die eine nachhaltige Verbesserung auf den Straßen aufzeigen, sagt Heidemarie Arnhold, die für die Senatsverwatung für Stadtentwicklung die Projekte betreut. Kinder entwerfen etwa einen Stadtplan oder der Arabische Elternverband klärt jugendliche Fahrschüler über umweltfreundlicheres Autofahren auf. »Alles praktische Ideen, die helfen, eine Stadt lebenswerter zu machen«, bekräftigt Arnhold.
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