Barguti der heimliche Star
Fatah-Parteitag mit vielen neuen Gesichtern in Führungsgremien
Für viele Mitglieder der alten Garde von Fatah wird der Parteitag von Bethlehem in bitterer Erinnerung bleiben. Sie hatten den ersten Kongress der Partei seit 20 Jahren in der Hoffnung organisiert, ihren Einfluss in der größten säkularen palästinensischen Partei zu etablieren. Ihre Rechnung ging nicht auf. Nur vier bisherige Mitglieder des Zentralkomitees wurden wieder gewählt. Auch die angesetzten Neuauszählungen werden an der personellen Neuaufstellung der Fatah-Führung nichts Grundsätzliches ändern.
Eine Woche lang hatten über 2000 Parteidelegierte inhaltliche und personelle Tagesordnungspunkte diskutiert, bevor sie zur Wahl der neuen Parteiführung schritten. Die meisten Delegierten aus dem Gaza-Streifen, die von Hamas an der Reise nach Bethlehem gehindert worden waren, gaben ihre Stimme telefonisch ab.
Das beste Ergebnis erreichte der wiedergewählte Abu Maher Ghneim. Der 72-jährige kam in Jerusalem zu Welt und gehört zu den Gründungsmitgliedern von Fatah. Er hatte aber die Oslo-Verträge mit Israel abgelehnt und blieb nach deren Unterzeichnung und der Gründung der palästinensischen Autonomiebehörde im Exil in Tunis. Er hatte sich bislang geweigert, in ein von Israel kontrolliertes besetztes Palästina zurückzukehren. Er änderte seine Haltung erstmals, um am Fatah-Kongress teilzunehmen und wurde bei seiner Ankunft begeistert empfangen.
Neu ins Zentralkomitee gewählt wurde Marwan Barguti. Der 51-jährige war einer der Führer der zweiten Intifada, wurde 2002 von Israel verhaftet und in einem zweifelhaften Prozess wegen angeblicher Unterstützung von Selbstmordanschlägen zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Barguti ist der populärste palästinensische Führer, der weit über die Fatah-Anhängerschaft hinaus geschätzt wird. Er hatte früh die Korruption in der Partei kritisiert und sich später im Gefängnis für die Versöhnung zwischen Fatah und Hamas stark gemacht.
Ein ausgezeichnetes Resultat hatte auch Nasr al-Qidwa (50). Er ist ein Neffe von Yasser Arafat und war früher palästinensischer UN-Botschafter in New York. Er ist wenig charismatisch, gilt aber als einer der brillantesten Köpfe in der palästinensischen Führung. Ihm gelang es, Israels Mauerbau auf besetztem palästinensischen Gebiet. in den Vereinten Nationen zu thematisieren; der Internationale Gerichtshof in Den Haag verurteilte schließlich Israel im Jahr 2004 für den Bau der Mauer.
Ebenfalls in die Parteiführung aufgenommen wurde der frühere Sicherheitschef in Gaza, Muhammad Dahlan (48). Er verließ den Gaza-Streifen kurz vor der Machtübernahme durch die Hamas-Organisation im Sommer 2007 und konnte seither nicht mehr in den Küstenstreifen zurück. Er gilt als Hardliner im Streit zwischen Fatah und Hamas und hat enge Verbindungen zu den USA. Dahlans ebenfalls in die Fatah-Führung gewählter Gegenspieler, Jibril Rajub (56), der früher im Westjordanland für die Sicherheitskräfte verantwortlich war, steht hingegen für eine Aussöhnung mit den Islamisten.
Prominentestes abgewähltes Führungsmitglied ist Ahmed Kureia. Der einstige Premierminister war in den letzten Jahren verantwortlich für die Verhandlungen mit Israel, stand aber in dem Ruf, Teil korrupter Strukturen innerhalb von Fatah zu sein. Allerdings fehlten Kureia nur zwei Stimmen für einen Sitz im ZK. Auch er hat eine Neuauszählung verlangt.
Insgesamt kam es zu einer Verjüngung und Erneuerung der Parteispitze. Die neue Führungsriege erklärte sich dem Friedensprozess verpflichtet, will aber einen politisch konsequenteren Kurs gegenüber Israel verfolgen als bisher. Dabei bezieht sich die Fatah auf ein Elf-Punkte-Programm berufen, mit dem die israelische Besatzung bekämpft werden soll. Die Organisation bekräftigt darin auch die Ablehnung des Ansinnens der gegenwärtigen Tel Aviver Regierung, Israel als als jüdischen Staat zu definieren – auch um die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge zu schützen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.