Ein Turnier für den Pionier
Wie der Tennisclub Treptower Teufel seine alten Ostberliner Wurzeln pflegt
Schon am Nachmittag ist auf dem Tennisplatz auf der Willi-Sänger-Sportanlage ein unentwegtes »ponk, ponk, ponk« zu hören. Das Geräusch der hin- und hergeschlagenen Bälle ist für die Anwohner so vertraut wie das Holpern der S- Bahn. Tennis hat am Baumschulenweg eine lange Tradition. 1949 wurde die Sektion innerhalb der BSG Turbine Bewag gegründet.
Heinz Morgenroth kennt die Geschicke bei den Treptower Teufeln – so heißt der Tennisclub mittlerweile – wie kein anderer. Der 79-Jährige ist seit nunmehr 51 Jahren Vereinsmitglied, und trotz seines Alters steht er noch immer einmal in der Woche auf dem Platz. »Öfter geht leider nicht«, sagt er. »Die Knochen tun mir weh.« Fürs Einzel sei er zu langsam geworden, aber einem Doppel fühlt er sich durchaus noch gewachsen. Außerdem freut er sich auch aufs anschließende Zusammensein im Clubheim, wo er beim Bier mitunter zum Zeitzeugen wird.
Mit dem Tennis war Heinz Morgenroth von Kindesbeinen an vertraut. Seine Mutter spielte in den 20er Jahren im bürgerlichen Wilmersdorf. 1958 fing seine eigene Laufbahn an. Auf seinem Arbeitsweg zur Akademie der Wissenschaften fuhr der Physiker jeden Tag an den ziegelroten Sandplätzen vorbei. Eines Tages stieg er am Baumschulenweg aus und stellte sich auf dem Platz vor. »Bernhard Froese war damals Cheftrainer, und der befand mich fürs Tennis tauglich«, erinnert er sich.
Es gab nicht viele Tennisplätze in Ostberlin. Der Weiße Sport war in der DDR nicht weit verbreitet – nicht olympisch, nicht gefördert und zudem als Bonzensport verpönt. Mancher kennt wohl noch Thomas Emmerich, den ostdeutschen Serienmeister in den 80er Jahren, der den Weltranglistenersten Ivan Lendl zweimal bezwungen hat? Vom Profitennis war Emmerich jedoch ausgeschlossen. Dagegen siegte Boris Becker als 17-Jähriger in Wimbledon. Seitdem war Tennis en vogue, zumindest in Westdeutschland. Im Osten blieb es weiterhin ein Nischensport.
Kaum war Berlin wieder vereint, da verließ die Tennissektion die BSG Turbine und gründete einen eigenen Verein. Die Mitglieder suchten einen neuen Namen und votierten für Treptower Teufel. Das Logo ziert jetzt einen Comicteufel mit Racket und signalisiert bereits: Tennis wird an der Köpenicker Landstraße als Breitensport gesehen.
»Manchmal haben wir Anfragen von höherklassigen Spielern, die für Geld zu uns wechseln wollen. Aber das lehnen wir ab«, sagt Stephan Burwieck, Jugendwart im Verein. »So was können wir uns auch gar nicht leisten.« Denn die Treptower Teufel haben alle acht Plätze von Grund auf saniert. Zwar gab es dafür öffentliche Zuschüsse, aber der Verein musste auch einen Eigenanteil aufbringen.
Die Kredite zahlt der Club nun über die Jahresbeiträge seiner rund 300 Mitglieder ab. »Weniger dürften wir nicht werden, sonst kommen wir auf eine schiefe Ebene«, erläutert Burwieck die knappe Kalkulation. Ein Sport für die Reichen ist Tennis bei den Treptower Teufeln nicht. Die Millionäre haben schon immer woanders gespielt.
Wenn Heinz Morgenroth zurückblickt, dann hört sich Tennis im Osten eher wie ein Pioniersport an. »Wir mussten immer schauen, wo wir unsere Bälle herbekommen. Die guten gab es in Tschechien.« Außerdem kümmerten die Spieler am Baumschulenweg sich selbst um die Plätze. Den roten Sand konnte man sich nicht einfach auf Bestellung kommen lassen wie heute, sondern der musste selbst hergestellt werden. Dafür wurden Ziegel zerstoßen und anschließend gesiebt. »Die Körnung war gröber als unser heutiger Sand«, weiß Stephan Burwieck.
Der Jugendwart ist über die Entwicklung im Verein zufrieden. Am Samstag findet auf der runderneuerten Anlage ein Turnier im Gedenken an Bernhard Froese statt, jenen Tennisvater aus BSG-Zeiten, der den Spielern über Generationen hinweg das Spiel beibrachte. Auch wenn der Club nun einen neuen Namen trägt, die Treptower Teufel bleiben ihren Wurzeln verbunden.
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