Kraftprobe Tamburello

Katalanen vorn bei Berlin-Open auf dem Sandplatz in Velten am Bernsteinsee

Neun Tage lang fand das große Leichtathletik-Spektakel im Olympiastadion statt. Diese ND-Sommersport-Serie blickte nicht dorthin, sondern auf die Kunstrasenplätze und Schwimmbecken, in die Parks und Hinterhöfe und fragt heute ein letztes Mal: Welchen Sport treiben Freizeitathleten, die niemals Rekorde brechen? Woher schöpfen sie die Motivation und die Leidenschaft?
Kraftprobe Tamburello

Ein Tamburello-Match über zwei Gewinnsätze ist eine Kraftprobe. Bei jedem Schritt gibt der Sand nach, und die Kontrahenten liefern sich lange Ballwechsel. Fast scheint es, als wollten sie sich mit jedem geschlagenen Filzball, der dazu dient, den anderen zu überlisten, gegenseitig anspornen. Die Schläge dröhnen auf dem bespannten kreisrunden Spielgerät, das keinen Griff hat, sondern nur eine Lederschlaufe zum Festhalten. »Slice- oder Topspinschläge wie beim Tennis haben keine Wirkung, weil der Ball in der Beach-Variante nicht auf dem Boden aufkommen darf«, erklärt Ringo Sobiella. Tamburello auf dem Sandplatz ist ein Strategiespiel.

Die kleine Gemeinde dieser unbekannten Sportart traf sich am Wochenende in Velten am Bernsteinsee und trug an zwei Tagen die Berlin-Open aus. Erstmals war in diesem Jahr auch ein Team aus Barcelona dabei. Obwohl jedes Turnier auch ein Wiedersehen sei, gehe das Spiel nicht im Feiern unter, meint Ringo Sobiella aus Dresden. »Wir spielen im K.o.-System, und jeder will so weit wie möglich kommen.« Dennoch gibt es keine unfairen Tricks und angezweifelte Schiedsrichterentscheidungen. Ein Tamburello-Turnier kommt ohne Unparteiische aus. Die Spieler zählen selbst. Ein Satz geht bis zwölf, und wie beim Tischtennis zählt jeder Punkt.

Dieses Spiel mit den einfachen Regeln ist keine neue Trendsportart, sondern kann auf eine Tradition zurückblicken, die bis ins 17. Jahrhundert reicht. Im nördlichen Italien war das Ballspiel damals ein Volkssport. Die Schläger waren aus Eichenholz und wurden mit Pferdeleder bespannt. Auch in Deutschland wurde Tamburello bis in die 1920er Jahre gespielt, dann verliert sich die Spur. Erst der Sportstudent Dirk Ertel hat das Ballspiel auf einer Italienreise wiederentdeckt und Schläger mitgebracht. Das war vor zwölf Jahren.

Ringo Sobiella hat das italienische Ballspiel auf der Weltausstellung in Hannover kennen gelernt; der Katalane Jordi Moncusí auf einer Messe für Trendsportarten in Barcelona. Wer es einmal selbst gespielt habe, erlebe, dass man es nicht mit anderen Rückhandsportarten wie Tennis oder Badminton vergleichen könne, meint Dirk Speckmann von Pfefferwerk Berlin. Durch den Schläger ist das Ballgefühl beim Tamburello ein anderes. Obwohl das Kunststoffgewebe straff gespannt ist, federt es. »Einen geschmetterten Ball muss man stoppen, sonst geht er in die Wolken«, erklärt Ringo Sobiella. »Nur draufhauen bringt gar nichts.«

Der Dresdner hat die Tamburello-Sparte beim SV Sachsenwerk e.V. mit aufgebaut und freut sich mittlerweile über regen Zulauf. Davon können die Spieler von Pfefferwerk Berlin gegenwärtig träumen. »Im letzten Jahr gab es einen Umbruch. Da sind einige Spieler weggezogen, und jetzt brauchen wir Nachwuchs«, erzählt Dirk Speckmann. Das Training findet im Sommer montags und mittwochs ab 18 Uhr im Jahnsportpark auf der Beachanlage statt.

Speckmann ist Sportlehrer am Heinrich-Schliemann-Gymnasium und bietet Tamburello auch an der Schule an. Das stoße durchaus auf Interesse, meint er. Aber für Trendsportarten sei in Berlin die Konkurrenz groß: »Die Jugendlichen schnuppern überall mal rein«, sagt der Studienrat, und angesichts der Auswahl falle es ihnen schwer, sich festzulegen. Fußball ist natürlich bei seinen Schülern beliebt. »Nach der letzten Saison von Hertha, gab es noch einmal einen Schub.« Die Profis sind Vorbilder, denen die Jugend wie eh und je nacheifert. »So was kann Tamburello nicht bieten.«

Beim Berlin-Open am Bernsteinsee dominierten übrigens die Katalanen. Doch das Ergebnis war am Ende zweitrangig.

www.tamburello.berlin.ms

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