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Neue Sachlichkeit im Blick auf DDR
Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe wendet sich gegen eine Verteufelung
Es ist nicht das erste Mal, dass Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) als einsamer Rufer auftritt, aber es geschieht erneut in einem wichtigen Moment. Schon einige Male hat er sich als selbstständig Denkender und Handelnder erwiesen in einer SPD, in der nicht sehr viele Politiker unter diesem Verdacht stehen.
In der »Sächsischen Zeitung« wandte er sich kürzlich gegen den fortgesetzten Versuch, die DDR »total zu verteufeln«. Angesichts der unverhohlenen Einseitigkeit, mit der seit Jahren die DDR und ihre Geschichte betrachtet werden, schrieb Stolpe von der gewachsenen Neigung, »kein einziges gutes Haar an dem untergegangenen Staat zu lassen«. Ausgangspunkt war die Behauptung von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der in der DDR-Zeit Grund für Verwahrlosung, Entbürgerlichung und Entkirchlichung gesehen hatte. Stolpe widersprach scharf: »Vernichtungsurteile über die DDR sind zur gängigen Meinung in der Öffentlichkeit und in vielen Medien geworden«.
Aufs Korn nahm der Ex-Regierungschef die zum Teil hysterisch propagierte Einseitigkeit in der heutigen Geschichtsbetrachtung, und den Versuch, die DDR »als Hölle darzustellen«. Wer eine genauere und differenziertere Beurteilung des zweiten deutschen Staates vornehme, … »wird verdächtigt und verurteilt«. Wenn aber mehr als die Hälfte der einstigen DDR-Bürger an ihrem Staat auch gute Seiten sahen und sogar jeder Dritte mehr Gutes als Schlechtes an ihm findet, dann ist das für Stolpe ein Ergebnis, mit dem sich manche Politiker, Journalisten und Historiker nicht abfinden können. »Schließlich wollen sie mit ihrem westdeutsch geprägten Urteil über die DDR Recht behalten.«
Auch Linksparteichef Lothar Bisky hat vor einigen Tagen eine Neubewertung der DDR-Geschichte gefordert – womit jetzt schon zwei prominente Brandenburger sich auf vermintes Gelände begeben. Doch innerhalb der SPD steht Manfred Stolpe wieder einmal recht einsam da. Mit Sicherheit wird ihm jetzt wieder die »kleine DDR« unter die Nase gerieben, die er als Regierungschef angeblich in Brandenburg bewahren wollte.
Stolpe aber war mehr als einmal für einen echten Durchbruch gut – gedanklich und auch praktisch politisch. Das unterscheidet ihn von Matthias Platzeck. Manfred Stolpe stieß 1992 beispielsweise durch den Gebrauch der Formel von der »punktuellen Zusammenarbeit mit der PDS« neue Türen auf und setzte damit eine bis heute anhaltende Debatte über Regierungsbündnisse in Gang. Das galt einst auch in Ostdeutschland als ausgeschlossen.
Stolpe regierte im Stil des »Brandenburger Wegs«, bezog die Opposition in die Regierungsarbeit ein. Zwar ging das damals nicht unendlich weit, war mitunter eine Illusion, punktuell jedoch auch mehr als das.
Vor aller Augen und aller Welt distanzierte sich Manfred Stolpe 1998 vom NATO-Angriff auf Jugoslawien und stand damit in der brandenburgischen SPD allein auf weiter Flur. Erneut wurde sichtbar, dass ein Stolpe seine Grundsätze und Prinzipien nicht auf dem Markt des politischen Tagesgeschehens feilbietet. Unterstützt wurde er damals zunächst lediglich von der PDS.
In seinem jüngsten Zeitungsbeitrag nahm Stolpe auch zum Verhältnis DDR-Staat und Kirche Stellung: »Die Kirche in der DDR galt als 5. Kolonne des Klassenfeindes. Kirche und Christen waren also in doppelter Hinsicht Feinde.« Die Vorliebe des pensionierten Politikers für saftige Worte (»Bis zur letzten Patrone«) hat er sich jedenfalls bewahrt. Mit dem Helsinki-Entspannungsprozess der 70er Jahre hatte die DDR seinerzeit allerdings zumindest rhetorisch von »Feind« auf das weniger harte »Gegner« abgerüstet. Der Protest katholischer Bischöfe gegen die »Militarisierung der DDR-Gesellschaft« (Einführung des Wehrkundeunterrichts) hatte sicherlich Berechtigung. Dass aber nahezu gleichzeitig katholische Bischöfe im vietnamesischen Saigon die US-Amerikaner bei ihrem bestialischen Vorgehen von der Kanzel aus noch anfeuerten – sich dabei auf Jesus Christus beriefen – könnte Anlass zu einer vergleichenden Betrachtung sein.
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