Saab und Volvo rollen nach China
Koenigsegg bereits mit BAIC handelseinig / Volvo fürchtet um Qualität
Die Lage ist ernst für einen der wichtigsten Stützpfeiler der schwedischen Wirtschaft: die Autoindustrie. So ernst, dass die führende schwedische Wirtschaftszeitung »Svenska Dagbladet« auf der Titelseite das Volvoemblem mit dem grausilberner Kreis und dem Pfeil nach außen abdruckte, dabei aber den weißen Volvo Schriftzug auf blauem Grund in chinesische Schriftzeichen umwandelte.
Denn der chinesische Billigwagenhersteller Geely hat angekündigt, er wolle Volvo von dessen bisherigem US-Eigentümer Ford kaufen. Er sei dabei nicht an einer bloßen Teileignerschaft interessiert. Nahezu zeitgleich bestätigte Saab, im chinesischen Autohersteller Beijing Automotive Industry Holdings (BAIC) einen neuen Teilhaber gefunden zu haben. Das vor dem Aus stehende Unternehmen, heute Teil von General Motors, soll im Herbst von der schwedischen Luxuswagenfirma Koenigsegg übernommen werden. Doch die ist mit 48 Angestellten eigentlich viel zu klein. Laut Koenigsegg soll BAIC Minderheitseigentümer der Koenigsegg-Gruppe werden. Genaues könne aber wegen der vereinbarten Vertraulichkeit nicht bekannt gegeben werden, hieß es am Dienstag. Auch über die Summe wurde Stillschweigen vereinbart.
Für die deutlich kleinere Firma Saab, deren Umsatz im vergangenen Jahr 21, 7 Milliarden Kronen (2,1 Milliarden Euro) betrug, wird die Beteiligung der Chinesen als Rettung angesehen. Koenigsegg hatte vor drei Wochen vom schwedischen Staat gefordert, bei Saab eine Finanzlücke in Höhe von drei Milliarden Kronen zu stopfen. Das soll nun durch die Beteiligung von BAIC nicht mehr nötig sein. »Das eröffnet uns enorme Möglichkeiten in China und wir haben damit nun den letzten offenen Teil der Finanzierung geklärt«, sagt Saab-Sprecher Eric Geers. Ob Saab dann auch im preiswerten China produzieren werde, lässt er offen. Die Gewerkschaften stoßen ins gleiche Horn: »Es ist erfreulich für die Angestellten und Kunden«, so Saab-Gewerkschaftssprecherin Anette Hellgren. Sie begründet die Zuversicht damit, dass Koenigsegg Mehrheitseigentümer bleibe.
Anders die Reaktion beim mit einem Umsatz von 116 Milliarden Kronen deutlich größeren Autobauer Volvo. Der Ingenieursverband fürchtet, dass es Volvo mit den technisch weniger entwickelten chinesischen Autoherstellern nicht gelingt, sich als Spitzenprodukt zu behaupten. Volvo-Zulieferer fürchten, dass ihre Produkte in China kopiert werden. Sie drohen hinter vorgehaltener Hand mit Lieferboykott. »Ich finde Geely schlimm«, sagt auch Volvo-Gewerkschaftssprecher Sören Carlsson. Die Belegschaft in Göteborg befürchte, dass Arbeitsplätze nach China verlagert werden.
Branchenexperte Nils Ollevik sieht das anders. Volvo hätte mit einem chinesischen Eigentümer bessere Chancen, in Schweden zusammengebaut und weiterentwickelt zu werden, als mit einem amerikanischen. Die chinesischen Autobauer wollten in Europa Fuß fassen. Eine Produktionsverlagerung bei Saab und Volvo sei daher unwahrscheinlich.
Der bisherige Volvo-Eigentümer Ford dürfte weitere Interessenten sondieren. Er könnte zudem noch zurückschrecken aus Angst, Geely würde mit Volvo zu einem ernsthaften Konkurrenten werden. Bisher ist Geely die Expansion auf westliche Märkte wegen unzureichender Qualität nicht geglückt.
Eine andere Idee hat der schwedische IKEA-Gründer Ingvar Kamprad lanciert. Er schlug vor, dass Saab sich von feinen Autos verabschiede und stattdessen nach dem Vorbild Ikeas auf preiswerte, aber zuverlässige Volksautos setze. Eigentümer sollte die staatliche Energiegesellschaft Vattenfall werden. Nebenbei könnte Saab Windkraftwerke und andere Produkte für den Energiemarkt bauen. Seit Monaten gibt es zudem Gerüchte, dass IKEA in einem Konsortium aus schwedischen Firmen Volvo kaufen könnte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.