Boateng in Löws Visier

Hamburg bleibt nach Erfolg über die Bayern an der Spitze

  • Erik Eggers, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, sagt Jerome Boateng, vom Besuch des Bundestrainers Joachim Löw in Hamburg habe er keine Kenntnis gehabt. »Und wenn ich es gewusst hätte, dann hätte es mich auch nicht gestört«, ließ er am Samstagabend wissen. Nach dem 1:0-Sieg des HSV gegen Bayern München, den Mladen Petric in der 72. Minute sichergestellt hatte, zeigte der 21-Jährige sich so abgebrüht wie auf dem Feld. Über sich sprach der Verteidiger nicht gern. Vielmehr habe der »super Kampfgeist in unserer Mannschaft« geholfen, die Tabellenführung mit dem vierten Sieg im vierten Heimspiel zu verteidigen.

Auch wenn Boateng sich cool gab – selbstverständlich war sein Auftritt ein perfektes Bewerbungsgespräch für die Nationalmannschaft. Löw hatte schon vor einigen Wochen verlauten lassen, Boatengs Leistungen mit Wohlwollen zu verfolgen. Nach diesen überragenden 90 Minuten gegen die Bayern dürfte das Länderspieldebüt des gebürtigen Berliners nur noch eine Frage der Zeit sein. Boateng demonstrierte erneut Zweikampfstärke und glänzendes Stellungsspiel, das wahrlich außergewöhnlich ist für einen 21-Jährigen. Wie schnell Boateng zudem zu Fuß ist, registrierte Bayern-Star Arjen Robben bei seinem ersten Vorstoß auf Rechtsaußen: Boateng lief ihn trotz seiner 1,92 Meter Körpergröße einfach ab.

Noch bemerkenswerter macht Boatengs Auftritt, dass er bis zur Halbzeit auf der ungewohnten Linksverteidigerposition spielte – Labbadias Strategie, hier den zuletzt defensivschwachen Dennis Aogo vorzuziehen und Boateng gegen Robben zu stellen, ging perfekt auf. In der zweiten Halbzeit hatte es Boateng, da Guy Demel verletzt ausfiel, dann auf der Rechtsverteidigerposition vorwiegend mit Franck Ribery zu tun, der erstmals in der Saison von Anfang an spielte. Auch hier rührte Boateng Beton an. »Er ist sehr vielseitig, das macht ihn sehr wertvoll für uns«, sagt Labbadia. Der aktuelle Wert Boatengs wird auf 6,5 Millionen Euro taxiert, und er dürfte mit diesen Auftritten weiter steigen.

»Es macht einfach Spaß, gegen Robben und Ribery zu spielen, das ist eine Herausforderung für mich«, sagte Boateng. »Man darf keine Angst haben, sondern muss einfach rangehen. Der Ribery ist schon cool, ich mag einfach seine Spielart und dass er sich nichts gefallen lässt.« Fast krönte er seine Leistung noch mit einem Tor. Doch den Schlenzer aus der 31. Minute hatte Bayern-Keeper Hans-Jörg Butt mit einer Glanzparade noch über die Latte lenken können.

Der HSV beendete mit dem Sieg also seine Krise, die nach der Niederlage im Europapokal und dem Aus im DFB-Pokal beim VfL Osnabrück ausgerufen worden war, der Klub bleibt in der Liga ungeschlagen und peilt große Ziele an. »Ich will Deutscher Meister werden«, sagte Zé Roberto, der nicht nur als Vorbereiter des Siegtores glänzte. »Und ich will auch das Finale in der Europaleague erreichen.«

Die Bayern versuchten, die Niederlage zu entdramatisieren. »Man kann in Hamburg verlieren«, so Manager Uli Hoeneß. »Wir haben gegen die meisten Spitzenmannschaften schon gespielt.« Coach Louis van Gaal sah es genauso: »Ich denke, der HSV hat eine Spitzenmannschaft, wir haben einfach unsere Chancen nicht genutzt.« Doch die Nerven des niederländischen Coachs wirkten angekratzt – schließlich hatte das Momentum eindeutig für die zuletzt siegreichen Bayern gesprochen. Eine schüchterne Frage, warum van Gaal sich in der Taktik am Gegner orientiert habe, indem er Philipp Lahm in der ersten Halbzeit ins Mittelfeld vorzog, um die Dribblings Eljero Elias zu stoppen, brachte ihn in Rage. »Zählen Sie unsere Chancen«, befahl er mit barschem Ton, als sei sein Team mindestens ebenbürtig gewesen. Natürlich, auch die Bayern besaßen Möglichkeiten. Doch die Torschuss-Statistik (15:8) belegte den Eindruck, dass der HSV viel zielstrebiger vor dem gegnerischen Tor agierte. Die 89. Auflage des Nord-Süd-Duells sah einen verdienten Sieger. Und einen schlechten Verlierer.

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