Der Senat hat sich verprüft
Verfassungsgericht hebt Entscheidungen gegen Wasser- und Kita-Volksbegehren auf
Gleich doppelt hat das Berliner Verfassungsgericht den rot-roten Senat am Dienstagmorgen abgewatscht und die direkte Demokratie in der Hauptstadt gestärkt: Sowohl das Kita-Volksbegehren als auch das Volksbegehren zur Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe müssen zugelassen werden. Beide Anträge auf Volksbegehren hatte der Senat 2008 zurückgewiesen, die Initiatoren hatten Beschwerde eingelegt. Mit dem Urteil zur Aufhebung der Senatsentscheidungen erfolgte auch die verfassungsrechtliche Klärung nach der Novelle der Berliner Verfassung 2006.
Das Wasserbegehren hatte der Senat zurückgewiesen, weil das »Gesetz zur Publizitätspflicht im Bereich der Berliner Wasserbetriebe«, das der Berliner Wassertisch durchsetzen wollte, zwar formal zulässig, indes nicht verfassungskonform sei. Geheimhaltungsinteressen Privater würden verletzt, befand der Senat.
Das Gericht urteilte nun, dass es dem Senat nicht zustehe, den Inhalt eines Volksbegehrens im Vorfeld auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Für eine »so umfassende Präventivkontrolle« gebe es keine rechtliche Grundlage. Mit der Ausweitung plebiszitärer Elemente und Beteiligungsmöglichkeiten in der Berliner Verfassung im Jahr 2006 habe der Gesetzgeber – also das Abgeordnetenhaus – zudem deutlich gemacht, »dass er dem Volk im Hinblick auf die verantwortungsvolle Handhabe direktdemokratischer Berechtigungen gesteigertes Vertrauen entgegenbringt«. Der »Volksgesetzgeber« stehe so auf gleicher Stufe wie der parlamentarische. Das Abgeordnetenhaus habe nur im Nachhinein die Möglichkeit, ein »Volksgesetz« zu ändern oder abzuschaffen und auch verfassungsrechtlich prüfen zu lassen.
Das Volksbegehren des Landeselternausschusses Kita (LEAK) war vom Senat mit der Begründung abgelehnt worden, die Kosten zur Umsetzung – 96 Millionen Euro nach LEAK-Angaben, 212 Millionen laut Senat – seien so hoch, dass die Budgethoheit des Abgeordnetenhauses nicht mehr gewährleistet sei. Auch diese Entscheidung des Senats erklärte das Verfassungsgericht für nichtig. Der Einwand sei nur zulässig, wenn ein Volksbegehren einen aktuell gültigen Haushalt betreffe. Das Kita-Volksbegehren beziehe sich indes auf künftige Haushalte.
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Gerlinde Schermer und Thomas Rudek vom Berliner Wassertisch betonten die bundespolitische Bedeutung der Urteile. »Privatisierung von Betrieben öffentlicher Daseinsvorsorge wird landauf landab von den Verfassungsgerichten immer kritischer gesehen«, sagte Rudek. Der Senat könne sich darauf verlassen, dass die direkte Demokratie nun gestärkt sei. Der LEAK-Vorsitzende Burkhard Entrup sprach von einem »fantastischen Ergebnis«. Für diejenigen, die das Kita-Begehren bereits unterschrieben haben, sei es ein »Sieg für die Wahrung ihrer Bürgerrechte«.
Der Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus Volker Ratzmann nannte die Richtersprüche ein »direktdemokratische Ohrfeige für Rot-Rot«. Der Innensenat habe »zu viel zu schnell geprüft«, sagte der demokratiepolitische Sprecher, Benedikt Lux. Bei aller Freude sei er auch skeptisch. Die Entscheidung sei nur »nach hinten verschoben«. Schließlich könne das Parlament Gesetze ändern oder abschaffen – der politische Preis dafür dürfte nach erfolgreichem Volksentscheid indes recht hoch sein.
Vier Monate haben jetzt die Abgeordneten Zeit, die Gesetzentwürfe der beiden Initiativen zu studieren und gegebenenfalls zu verabschieden. Wenn das nicht passiert, werden ab dem Frühjahr 2010 wieder Unterschriften gesammelt.
Das Kita-Volksbegehren
Das Volksbegehren »Kitakinder + Bildung von Anfang an = Gewinn für Berlin« wurde vom Landeselternausschuss Berliner Kindertagesstätten (LEAK) eingebracht.
Laut LEAK haben 66 181 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben.
Der LEAK kämpft für gesetzliche Regelungen, die unter anderem einen verbesserten Betreuungsschlüssel, Teilzeitplätze und eine Freistellung der Kita-Leitung ab hundert Kindern gewährleisten.
Das Wassser-Volksbegehren
- Es geht um ein Gesetz mit dem die Offenlegung aller Abmachungen im Kernbereich der Berliner Wasserwirtschaft erreicht werden soll.
- Initiator ist der Berliner Wassertisch, ein Netzwerk aus Bürgern und Initiativen. Titel: »Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück«.
- Hintergrund ist die die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe mit dem Verkauf an den Stromversorger RWE und den französischen Konzern Veolia 1999.
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