Schwarz-Gelbe Autorität im Bundesrat
Der Schrecken über Lafontaines knallhartes Bundesrats-Kontra sitzt Union und FDP aber immer noch in den Knochen
Über den Bundesrat sollen die Länder an der Gesetzgebung des Bundes mitwirken. Über 40 Prozent der Bundesgesetze sind zustimmungspflichtig. So geht es in der Steuerpolitik, bei der Gestaltung von Leistungsgesetzen, die die Länder mitbezahlen müssen, aber auch in wichtigen Fragen der Verwaltungsstruktur, wo die FDP die Zerschlagung der Bundesagentur für Arbeit durchsetzen will, nicht ohne Zustimmung der Länderkammer. Ohne die dauerhafte Kontrolle des Bundesrates ist es daher schlecht um die Autorität von Schwarz-Gelb bestellt.
Derzeit können Merkel und Westerwelle mit 37 von 69 Stimmen im Bundesrat rechnen. Sie kommen aus den Ländern, in denen CDU/CSU und FDP jeweils die Regierung stellen bzw. stellen werden. 32 Stimmen verteilen sich auf die unterschiedlichsten Koalitionen, an denen jeweils eine oder mehrere der jetzigen Oppositionsparteien SPD, LINKE und Grüne beteiligt sind. Sollte es im Saarland infolge eines Positionswechsels der Grünen eine Jamaika-Koalition geben, ordnet sich diese wohl eher dem schwarz-gelben Lager zu, das dann auf 40 Mandate käme.
Sechs auf einen Streich
Sollte Schwarz-Gelb jedoch die für den Mai 2010 bevorstehenden Landtagswahlen in NRW verlieren und durch eine rot-rot-grüne Koalition abgelöst werden, büßt Schwarz-Gelb auf einen Schlag 6 Stimmen und damit die Mehrheit im Bundesrat ein. Im Jahr 2011, wo insgesamt sechs Landtagswahlen stattfinden, haben Union und FDP die Möglichkeit, diesen Verlust wieder auszugleichen. Geht man davon aus, dass Baden-Württemberg für Schwarz-Gelb relativ sicher ist, in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern eine Regierungsbildung ohne die SPD nicht möglich ist, kann ein Zuwachs für Merkel nur in Rheinland-Pfalz erreicht werden. Und in Berlin, wenn die Grünen dort einer Jamaika-Koalition zur Macht helfen. In Sachsen-Anhalt wäre wohl Rot-Rot möglich. In den Jahren 2012 und 2013 finden in den Ländern nur noch zwei wichtige Wahlen statt, in Hamburg und in Niedersachsen, dann kommen schon die Bundestagswahlen.
Schwarz-Gelb ist in der Zwickmühle: Sollte das neue Regierungsbündnis sozialpolitische Zumutungen oder eine Mehrwertsteuererhöhung vor den NRW-Wahlen beschließen, könnte das zwar mit den jetzigen Mehrheitsverhältnissen in der Länderkammer klappen. Die Quittung gäbe es dann bei den Landtagswahlen an Rhein und Ruhr und die Mehrheit wäre dahin. Wartet Merkel jedoch damit, könnte sie die Wähler der marktradikalen FDP vergrätzen. Auch das könnte in NRW zu einem Regierungswechsel beitragen.
Fehlende Einigkeit
Für jede Bundesregierung zählt im Bundesrat nur die absolute Mehrheit der Ja-Stimmen. Die Gegner von Schwarz-Gelb haben im Bundesrat insofern ein leichtes Spiel, dass sie in jeder Koalition, an der sie teilhaben, eine Enthaltung der Landesregierung in der Kammer erzwingen können. Doch dazu müssten sich SPD, Linkspartei und Grüne erst einmal einig sein. Und die SPD hat gerade erst in Thüringen wieder einmal vorgeführt, wie sie sich von der CDU den Schneid abkaufen lässt.
Wohin die Grünen in den Ländern gehen, ist ebenfalls offen. Ein Teil drängt ins bürgerliche Lager und will Jamaika. Zudem können die Stimmen einzelner Länder immer mit großzügigen Geschenken gewonnen werden.
Die Autorität von Union und FDP mag schwächeln, sie ist im Gegensatz zur Opposition eine reale Größe. Wegen der starken Eigeninteressen der Länder ist es kaum einem Politiker gelungen, eine dauerhafte Oppositionsfront im Bundesrat zusammenzuhalten. Mit einer Ausnahme: Der Schreck über Lafontaines knallhartes Bundesrats-Kontra, mit dem er in den 90er Jahren die Kohl-Regierung bekämpfte, sitzt Union und FDP noch bis heute in den Knochen.
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