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Obst und Gemüse für die Armen
Kleingartenvereine wollen freie Parzellen für die Belieferung der Tafeln zur Verfügung stellen
Der brandenburgische Landesverband der Gartenfreunde unterstützt die Idee, freie Kleingärten für die Armenspeisung zu verwenden. Der Bedarf an so genannten Tafeln und ihrer kostenlosen Essenausgabe wächst immer weiter. Deshalb hat der Verband dazu aufgerufen, Kleingärten zu diesem Zweck zu »aktivieren« und dort wieder Obst und Gemüse anzubauen.
Möglich wird das, weil es wegen des Bevölkerungsschwunds immer öfter nicht gelingt, neue Pächter zu finden, wenn die alten den Garten aus Altersgründen abgeben. »Wo es keine Arbeit gibt, ziehen die Menschen weg, und wo die Menschen wegziehen, gibt es keine Pächter für Kleingärten«, erklärt Verbandschef Bernd Engelhardt. 300 Gärten sind in den vergangenen Jahren zurückgebaut worden.
Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Tafeln sammelten bereits die Gartenfreunde im Nachbarland Sachsen-Anhalt. Im dortigen Kreisverband Stendal bewirtschaften 223 Arbeitskräfte 45 000 Quadratmeter Kleingartenland und versorgen fünf Tafeln sowie Kindereinrichtungen und Altenheime mit frischem Obst und Gemüse.
In Berlin und Brandenburg gibt es laut Potsdamer Sozialministerium 40 Tafeln, die in Berlin 140 Ausgabestellen für Lebensmittel unterhalten und in Brandenburg 60 Ausgabestellen. Förderanträge für Tafelgärten sind im Ministerium noch nicht eingegangen, sagte Sprecherin Claudia Szceces. Doch habe ihr Haus 365 000 Euro Fördergeld für vier Kühltransporter ausgezahlt, mit denen in Bad Liebenwerda, in der Uckermark, Eberswalde und Fürstenwalde Lebensmittel sicher befördert werden können.
In Deutschland gibt es etwa 600 Tafelorganisationen, deren Ziel es ist, bedürftigen Menschen mit Lebensmittelspenden zu helfen, sagte Agrarminister Dietmar Woidke (SPD). »Nicht alle Menschen haben ihr tägliches Brot – und doch gibt es Lebensmittel im Überfluss.« Ziel der Tafeln sei es, »qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden können, an Menschen in Not zu verteilen«. 1993 wurde diese Armenspeisung ins Leben gerufen. Gegenwärtig sind in Deutschland 40 000 ehrenamtliche Helfer aktiv.
Der Bedarf an Tafeln nimmt nach Angaben von Woidke »nach vorliegender jährlicher Statistik« immer noch zu. Rund ein Drittel der Menschen, die sich bei den Tafeln Lebensmittel abholen, beziehen Hartz IV, knapp ein Viertel sind Kinder.
Einer Studie der Hypo-Vereinbank aus dem Jahr 2007 zufolge ist Brandenburg gemessen am Bruttoinlandsprodukt das ärmste Land der Bundesrepublik. Das demnach reichste Bundesland Hamburg erreicht mit 44 900 Euro pro Jahr und Einwohner eine um 148 Prozent höhere Wirtschaftskraft als Brandenburg, wo es 18 100 Euro sind. Hinzu kommt, dass sich bis 2020 der Abstand zwischen den wohlhabenden und den schwächeren Ländern wenn überhaupt »nur sehr geringfügig vermindern« werde, so die Prognose. Rechne man die Zuwachsraten der Jahre 1995 bis 2006 auf die Zukunft hoch, dann »würde der Abstand zwischen dem führenden Bundesland und dem Schlusslicht weiter zunehmen«.
Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) zufolge ist die elementare Grundversorgung für einen Teil der Hartz-IV-Empfänger nicht gesichert. Das treffe auf 6 bis 17 Prozent der Leistungsempfänger zu.
Die Linkspartei-Politikerin Kerstin Kaiser hatte kurz vor der Landtagswahl die Neuruppiner Tafel besucht und dort gesagt, die SPD sehe das tatsächliche Ausmaß der Armut im Land nicht. Die Sozialdemokraten laufen mit »Scheuklappen« herum, bemerkte sie. Die Neuruppiner Tafel ringt ums Überleben. Mit Bangen sehe sie dem nächsten Haushaltsjahr entgegen, beklagte Leiterin Gabriela Manthei. Da müsse man im Kreistag Ostprignitz-Ruppin etwas tun, meinte Friedemann Göhler. Der Vorsitzende der Linksfraktion im Kreistag versprach, sich darum zu kümmern.
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