Frostige Klimaverhandlungen
Neues Abkommen könnte am Streit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern scheitern
Dass sich das Klima weltweit verändert, ist längst eine Binsenweisheit. Ebenso, dass die Folgen katastrophal sind. Immer mehr Fluten, Dürren, Stürme kosten Menschenleben, rauben Lebensgrundlagen, lassen Inseln versinken. Bei der UN-Tagung in Bangkok, an der rund 2500 Regierungsvertreter, Umweltschützer, Forscher und Manager aus mehr als 180 Staaten teilnahmen, hat sich ein neuer Klimawandel ereignet. Die Beziehungen zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern sowie den entwickelten Ländern sind nach den zweiwöchigen Verhandlungen mehr als frostig. Dabei hatte sich das Gesprächsklima erst 2007 auf der UN-Konferenz von Bali erwärmt. Nach langwierigen Verhandlungen einigte man sich dort, dass bei der Konferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 ein neues Weltklimaschutzabkommen beschlossen werden solle. Kernpunkte: Die Industrieländer senken ihre Treibhausgasemissionen massiv. Die Entwicklungsländer leisten ebenfalls einen Beitrag, wobei die Industrieländer Anpassungsmaßnahmen finanzieren sowie Technologie transferieren. Das Ganze wird mit konkreten Zielgrößen versehen und rechtlich verbindlich in einem auf Grund wissenschaftlicher Daten aktualisierten »Kyoto-Protokoll II« festgeschrieben.
Davon war in Bangkok bei der vorletzten Verhandlungsrunde vor dem Showdown in Kopenhagen keine Rede mehr. Die entwickelten Länder, allen voran die EU, unterbreiteten weder konkrete Angebote für die Finanzhilfen noch dafür, dass die Industriestaaten ihre Emissionsreduzierung an dem orientieren, was die Wissenschaftler als unabdingbar ansehen. Anders Turensson, Chefunterhändler der EU, forderte für die letzte Verhandlungsrunde vor Kopenhagen, die im November in Barcelona stattfinden wird: »Die Entwicklungsländer müssen uns zuerst eine Ahnung von dem geben, was sie anzubieten haben. Dann können wir unsere Karten auf den Tisch legen.« Den Vorwurf der G77-Staaten, die EU wolle das Kyoto-Protokoll »killen«, wies Turensson trotz dieser destruktiven »Mikado«-Hal- tung (wer sich zuerst bewegt, verliert) entschieden zurück.
Die in dem Netzwerk »G77 plus China« zusammengeschlossenen Entwicklungsländer dagegen hatten ihre Hausaufgaben gemacht. China hat sich seit Bali vom Klimabösewicht zum »Darling« der Umweltschützer gewandelt. Christoph Bals, politischer Direktor von Germanwatch, sagt: »Chinas Umwelt- und Klimapolitik hat Substanz.« Länder wie Indonesien oder Mexiko kündigten in Bangkok Reduzierungen ihres CO2-Asstoßes bis 2020 um 40 Prozent an, also um den Wert, den Klimawissenschaftler fordern. Die Industrieländer zusammen kommen hingegen nur auf rund 20 Prozent. G77-Sprecher Lumumba D’Aping sagte: »Die entwickelten Staaten ignorieren ihre historische Verantwortung.«
Ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor sind die USA. Weiter ist unklar, ob bis Kopenhagen die neue, durchaus ambitionierte Klimagesetzgebung Barack Obamas verabschiedet ist. Immerhin unterstrichen die Vertreter Washingtons, dass die USA einem neuen Weltklimavertrag mit verbindlichen Reduktionszielen beitreten wollen. Darüber, dass es ohne die USA kein Abkommen geben wird, herrschte in Bangkok Einigkeit. Positiv wurde die Nachricht von der Verleihung des Friedensnobelpreises an Obama aufgenommen. Vielleicht, so die Hoffnung von manchen Verhandlern, kann ein so gestärkter US-Präsident den festgefahrenen Verhandlungen neue Dynamik verleihen.
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