»Weg mit Schaum vorm Mund«

Immer mehr SPD-Politiker fordern tabufreien Umgang mit der Linkspartei

  • Lesedauer: 3 Min.
In der SPD mehren sich die Stimmen für eine Annäherung an die Linkspartei auf Bundesebene. »Weg mit dem ewigen Schaum vor dem Mund«, forderte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck am Wochenende. Vorstandsmitglied Wolfgang Thierse rief dazu auf, sich gegenüber der LINKEN »rational zu verhalten«.

Berlin (Agenturen/ND). Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck sagte der »Süddeutschen Zeitung«:

»Wir sollten unaufgeregter entscheiden, was geht und was nicht. Es ist nicht mehr zielführend zu sagen: mit den LINKEN nie und nimmer.« Platzeck hat sich in Brandenburg gegen die Neuauflage der Koalition mit der CDU und für Rot-Rot entschieden. »Ich sehe bei der LINKEN eine gewisse Fähigkeit dazuzulernen, etwa in der Afghanistandebatte.«

SPD-Vorstandsmitglied Wolfgang Thierse forderte von seinen Parteigenossen anzuerkennen, dass Tabuisierung und Ausgrenzung die Linkspartei nicht geschwächt, sondern gestärkt hätten. Daher müsse nun rationales Verhalten folgen: »Wir sollten uns mit ihr inhaltlich auseinandersetzen und in jedem konkreten Fall prüfen, was mit ihr an Zusammenarbeit möglich ist«, sagte Thierse der »Super-Illu«.

Der Sprecher der SPD-Linken, Björn Böhning, plädierte dafür, eine Koalition mit der Linkspartei auch auf Bundesebene nicht weiter zu tabuisieren. Die SPD habe da »einen Popanz aufgebaut, der weniger auf inhaltlichen Gegensätzen gründete, sondern auf Emotionen und auch kulturellen Unterschieden«, sagte er dem Magazin »Focus«. Gleichzeitig griff Böhning Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine scharf an. In der Linkspartei gebe es »Leute, die dem alten Schlachtruf folgen: ›Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!‹ Zu denen gehört auch Lafontaine«, sagte Böhning. Lafontaine verfolge »ein persönliches Rache-Projekt«.

Linksfraktionschef Gregor Gysi deutete an, dass seine Partei zu Änderungen in ihrer Außen- und Europapolitik bereit ist. »Wir sind nicht europafeindlich«, sagte Gysi der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. »Ich will ein integriertes Europa.« Jedoch wolle er »ein Europa der Bevölkerungen und nicht der Eliten«. Wenn der Lissabon-Vertrag in Kraft trete, werde die Linkspartei »die positiven Teile, wie die Stärkung des Europaparlaments, nutzen«, sagte er. »Und wir werden den Vertrag dann natürlich akzeptieren.«

Der neue SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte zuletzt ausdrücklich vor einem Linksruck gewarnt: »Ich finde es nicht plausibel, dass eine Öffnung nach links mit Hurra die SPD jetzt aus der Krise führen würde.« Erhebliche Differenzen zwischen den Parteien gebe es besonders in der Außen- und Sicherheitspolitik.

In der umstrittenen Frage der Rente ab 67 Jahren trat Platzeck für eine SPD-Debatte über Änderungen ein. In einigen Berufsgruppen schaffe es kaum jemand zu arbeiten, bis er 67 sei, sagte Plat-zeck. »Da müssen Lösungen gefunden werden.« Es sei auch ungerecht, dass Arbeitnehmer, die nach 30 Jahren ihren Job verlören, bald wie Langzeitarbeitslose nur noch Hartz IV bekämen. Die SPD solle in diesen Fragen nicht so »apodiktisch« sein.   

Zuvor war besonders der designierte Parteivize Klaus Wowereit auf deutlichen Konfrontationskurs zu Steinmeier gegangen. Er fordert die Abschaffung der Rente ab 67 und Änderungen bei der von Steinmeier als damaligem Kanzleramtsminister mit auf den Weg gebrachten Agenda 2010 mit den umstrittenen Hartz-Reformen. Steinmeier hatte am Freitag die Forderung Wowereits unter anderem nach Rücknahme der Rente mit 67 deutlich zurückgewiesen.

Nach Ansicht der Grünen muss die SPD als Voraussetzung für eine gute Oppositionsarbeit ihr Verhältnis zur Linkspartei und ihre eigene politische Ausrichtung klären. »Im Gegensatz zur SPD wissen wir, wer wir sind, und können deshalb die Oppositionsrolle annehmen«, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Die SPD müsse endlich ihr Trauma verarbeiten, das sie mit dem früheren SPD-Chef Lafontaine habe.

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