Streikbrechern auf der Spur
Arbeitskampf der Gebäudereiniger in Hessens Landeshauptstadt
Der bundesweite unbefristete Streik in der Gebäudereinigerbranche gewinnt auch in Hessen an Dynamik. So begaben sich am Mittwoch rund 30 streikende Gebäudereiniger gemeinsam mit Streikbeauftragten der federführenden Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) in das vom Arbeitskampf direkt betroffene Rathaus der Landeshauptstadt Wiesbaden. Begleitet von Medienvertretern wollten sie sich an Ort und Stelle informieren, ob dort andere Reinigungskräfte zum Streikbruch eingesetzt waren.
Die Gewerkschafter wurden tatsächlich fündig und konnten durch Überzeugungsarbeit zwei Kolleginnen davon überzeugen, sich dem Streik anzuschließen. Solidarität erfuhren die Streikenden im Rathaus auch vom Stadtverordneten und sozialpolitischen Sprecher der Fraktion Linke Liste, Jürgen Becker, der sie in den Fraktionsräumen empfing.
Im Raum Wiesbaden werden unter anderem regionale Niederlassungen der bundesweit operierenden großen Dienstleistungskonzerne Wisag und Piepenbrock bestreikt. Zu den Streikbetrieben gehört aber auch die Wiesbadener Reinigungsfirma Schmidt + Brandt Dienstleistung GmbH&Co KG. Deren Geschäftsführer Manfred Schmidt ist Inhaber mehrerer mittelständischer Unternehmen und fungiert gleichzeitig als Obermeister der Landesinnung des Gebäudereinigerhandwerks in Hessen und ist somit maßgeblicher Repräsentant des Arbeitgeberlagers. Schmidt ist langjähriges SPD-Mitglied und ehrenamtlicher Bezirksvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS) in der SPD Hessen-Süd. Die Firma Schmidt + Brandt ist nach eigenen Angaben »täglich in Liegenschaften des Bundes, in Ministerien und Ämtern des Landes, in Altenheimen, Schulen und Behörden der Städte und Gemeinden tätig«. Gewerkschafter werfen Schmidt + Brandt vor, Beschäftigten in letzter Zeit das zusätzliche Urlaubsgeld vorenthalten zu haben und auch teilweise die tariflichen Urlaubstage falsch berechnet zu haben.
Die IG BAU fordert für die Branche eine Einkommenserhöhung von 8,7 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten sowie einen Einsteig in die tarifliche Altersversorgung. Da die Arbeitgeberseite nur drei Prozent in Westdeutschland und 3,6 Prozent in Ostdeutschland bei einer Laufzeit von 21 Monaten und damit effektiv auf 12 Monate berechnet unter zwei Prozent bietet, zeichnet sich eine lange Auseinandersetzung ab. Nach dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags beklagen die Gewerkschafter ein neues Drehen an der Lohnspirale. So würden jetzt an Stelle des bisherigen Tariflohns von 8,15 Euro bei neuen Arbeitsverträgen Stundenlöhne von 6,50 Euro angeboten.
Reinigungskräfte, die noch direkt bei der Stadtverwaltung beschäftigt sind, erhalten laut aktueller Tariftabelle mindestens 9,37 Euro Stundenlohn und zudem noch andere tarifliche Leistungen des öffentlichen Dienstes.
Die »Putzfrauen« sind somit die Hauptverlierer einer massiven Privatisierungs- und Auslagerungswelle bei Behörden und Firmen, von der Unternehmer wie Manfred Schmidt profitiert haben. Zudem beklagten sich Streikende gegenüber ND über zunehmende Arbeitsverdichtung im Alltag. »Was wir früher mit 20 Leuten gemacht haben, müssen heute nur noch neun Kolleginnen erledigen«, beschwert sich eine Wisag-Beschäftigte.
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