Frischer Wind bei Italiens Demokraten
Partei wählte neuen Vorsitzenden / Bersani muss Flügel vereinen und Strategien entwickeln
Für die Demokratische Partei (Partito Democratico – PD), Italiens stärkste Oppositionspartei, begann am Wochenende eine neue Zeitrechnung. Die Partei hat eine lange und schwierige Gründungsphase hinter sich. Im Oktober 2007 durch den Zusammenschluss der ehemals kommunistischen Linksdemokraten (DS) und der christlich-sozialen Partei »La Margherita« entstanden, fehlte der PD bisher ein erkennbares Profil. Offenbar mussten sich sozialdemokratische und linke christdemokratische Kräfte erst zusammenraufen. Jetzt – endlich – soll eine Organisation entstehen, in der sich die verschiedenen Flügel keine Grabenkämpfe mehr liefern. Dabei steht Bersani für eine klare Linie: Er kommt aus der Kommunistischen Partei, war Präsident der Region Emilia-Romagna und unter Regierungschef Romano Prodi mehrmals Minister in Rom. Er gilt als kluger Wirtschaftspolitiker und als Person, die es versteht, eine Partei zusammenzuhalten und zu führen.
Aber auch für Bersani wird es nicht leicht sein, die Abspaltung »rechter« Splittergruppen zu verhindern: Immer wieder wird davon gesprochen, dass Francesco Rutelli, Roms ehemaliger Bürgermeister, die Demokratische Partei verlassen und mit christlichen und liberalen Gruppen eine neue Zentrumspartei aufbauen könnte.
Die Tatsache, dass sich drei Millionen Menschen an seiner Wahl beteiligt haben, gibt Bersani und der Demokratischen Partei neue Kraft, die beide dringend nötig haben. In Italien hat die Opposition in den letzten Jahren keine gute Figur abgegeben: Sie schwankte zwischen der Dämonisierung des Regierungschefs Silvio Berlusconi und reiner Anti-Haltung auf der einen Seite und dem Versuch, sich irgendwie mit dem mächtigen Ministerpräsidenten und seiner Klientel zu arrangieren, auf der anderen. Was fehlte – und das hat auch Bersani unterstrichen – war eine wirkliche Alternative zu dem Regime, das Berlusconi aufgebaut hat. Diese Alternative will der neue PD-Vorsitzende jetzt ausarbeiten.
Doch viel Zeit bleibt ihm nicht, um die Partei auf seinen Kurs zu bringen. Denn einerseits erscheint die derzeitige Regierung angeschlagen. Berlusconi ist auch in den eigenen Reihen nicht mehr unangefochten, sein Ruf als ewig siegreicher Strahlemann verblasst. Eine klug geführte Opposition könnte – und müsste – das ausnutzen. Andererseits stehen Regionalwahlen bevor. Im kommenden März wird in 13 von 20 italienischen Regionen gewählt, also gilt es, die richtigen Bündnisse zu schließen, sei es mit der christlichen Zentrumspartei oder mit den linken Gruppierungen. Bersani will auf klare Programme setzen, die mit den möglichen Verbündeten gemeinsam ausgearbeitet werden, um den Schlingerkurs zu verhindern, den es bisher häufig gab.
Ein weiterer, ganz wichtiger Punkt ist die personelle Erneuerung und Verjüngung der Demokratischen Partei. Bersani selbst ist mit seinen 58 Jahren und seiner langen politischen und Regierungserfahrung sicherlich kein unbeschriebenes Blatt. Trotzdem erwarten die Menschen, die für ihn gestimmt haben, dass er frischen Wind in eine Partei bringt, die zwar noch jung ist, aber trotzdem verknöchert erscheint. Bisher hatten jüngere Männer und Frauen kaum eine Chance, sich in der Organisation Gehör zu verschaffen, da sehr viel – zu viel, so Bersani – von oben beschlossen wurde. Er will eine Volkspartei aufbauen, die von unten nach oben durchlässig ist und in der nicht nur die Mitglieder, sondern auch die potenziellen Wähler zumindest bei richtungsweisenden Entscheidungen gefragt und angehört werden.
Auf Pierluigi Bersani ruhen viele Hoffnungen. In den kommenden Monaten wird sich herausstellen, wie weit er sie erfüllen kann.
Zur Person
Pierluigi Bersani, nach Walter Veltroni und Dario Franceschini der dritte Vorsitzende der Demokratischen Partei, wurde am 29. September 1951 in Bettola in einer Handwerkerfamilie geboren. Er studierte in Bologna Philosophie und trat 1980 der Italienischen Kommunistischen Partei bei, aus der 1991 die Demokratische Linkspartei (PDS) und 1999 die Linksdemokraten (DS) wurden, die wiederum 2007 in der Demokratischen Partei (PD) aufgingen.
Bersani war Präsident der norditalienischen Region Emilia-Romagna (1993-96), Minister für Industrie und Handel (1996-99), für Transport (1999-2001) und für Wirtschaft (2006-08). »Wenn ich gewählt werde, gehe ich nicht zu Berlusconi, sondern zu den Arbeitern der kleinen Betriebe und den oppositionellen Kräfte«, versprach er vor seinem Erfolg bei der Urwahl des PD-Vorsitzenden am Wochenende.
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