Vorsicht mit Vertrauensvorschuss

Die hässliche Seite des Fußballs: Die Gewalt nimmt wieder zu / Ein gemeinsames Sicherheitskonzept soll Ausschreitungen beim Fußballspiel von Jena gegen Dresden verhindern

  • Matthias Koch
  • Lesedauer: 4 Min.
Zum brisanten Fußballduell zwischen Jena und Dresden werden morgen 11 000 Zuschauer erwartet. Nach den jüngsten Krawallen bei Spielen in Halle, Zwickau, Leipzig und Rostock bemüht man sich in Jena verstärkt um einen sicheren Ablauf des Spiels.

Angesichts der Fußballtradition freuen sich viele Fans auf die morgige Partie im Ernst-Abbe-Sportfeld. Vereine und die Polizei hingegen sorgen sich, dass es auf den Rängen und rund um das Stadion nicht friedlich bleiben könnte. Nach den Ausschreitungen am Montag beim Zweitligaspiel zwischen dem FC Hansa Rostock und dem FC St. Pauli (0:2) rückt das Spiel von Carl Zeiss Jena gegen Dynamo Dresden nun noch mehr in den Blickpunkt als vorher. »Wir stehen allerdings bei jedem Spiel im Fokus«, sagt Martin Börner, Dresdens Fanbeauftragter, hinsichtlich etlicher Vorfälle mit Dynamo-Fans in jüngster Zeit.

20 Jahre nach dem Mauerfall ist das Duell der früheren Platzhirsche des DDR-Fußballs noch immer ein Straßenfeger. Bis Donnerstag waren inklusive der 1200 Gästefans schon knapp 9000 Tickets verkauft. Angesichts der hohen Besucherzahl trafen sich bereits am Montag in Jena Vertreter der Drittligisten, der Polizei, der Fanprojekte sowie des Ordnungsdienstes und Wachschutzes. »Das Sicherheitskonzept ist so ähnlich wie beim Thüringenderby gegen Erfurt. Wir gehen von einem ausverkauften Stadion aus und appellieren an die Anhänger beider Klubs, dass die Spannung und Rivalität bei diesem Spiel nicht in Gewalt umschlagen soll«, sagt Hans-Heinrich Tamme, der in Jena Sicherheitschef, Präsidiumsmitglied und Vorsitzender des Supporters-Club ist.

Dresdens Fanbeauftragter Martin Börner ist zuversichtlich. »Es sind in der Regel Fußballfans, die ihre Emotionen ausleben wollen.« Doch gerade das letzte Aufeinandertreffen in Jena am 19. Oktober 2008 macht deutlich, dass der Funke im negativen Sinn schnell überspringen kann. Beim 0:0 vor gut einem Jahr provozierten vor allem zündelnde Dynamo-Fans beinahe einen Spielabbruch. Der Vorfall kostete sowohl Veranstalter Jena als auch Dresden je 12 000 Euro Geldstrafe an den Deutschen Fußball-Bund.

Kein Wunder also, dass Tickets erneut stark reglementiert in den Verkauf gingen. Im Internet konnten nur Mitglieder und Dauerkarteninhaber des FC Carl Zeiss Eintrittskarten erwerben. Am Spieltag bleiben die Gäste-Kassen geschlossen. Die Kapazität des Ernst-Abbe-Sportfeldes wird nicht die aktuelle Höchstgrenze von 12 610 Zuschauern erreichen. »Einige sensible Bereiche wie die ersten fünf Reihen im Block A oder am Spielertunnel werden frei bleiben. Deshalb dürfen nur 11 000 Zuschauer ins Stadion«, sagte Zeiss-Sprecher Andreas Trautmann. Zudem wird es ein Parkproblem geben, da zwei Großplätze Fahrzeugen der Polizei und Sicherheitskräften vorbehalten sein werden.

Die Fans aus Dresden werden ausschließlich über die Saale-Seite zum Stadion gelassen. Die meisten von ihnen reisen mit dem Zug an, der diesmal anderes Personal an Bord hat. »Erstmals werden keine Beamten der Bundespolizei, sondern nur zehn eigene Ordner mitreisen. Das gab es noch nie«, sagt Dresdens Fanbeauftragter Martin Börner. »Das ist ein großer Vertrauensvorschuss. Die Ultras beispielsweise wissen, dass es keine Vorkommnisse geben darf.«

Auf einen Sieg der Vernunft hoffen alle Beteiligten für die Zeit vor, während und nach dem Spiel – auch wenn die Bedingungen im Ernst-Abbe-Sportfeld nicht optimal sind. Der Gästebereich befindet sich genau zwischen zwei Blöcken, in denen der harte Kern des FC Carl Zeiss steht. Sicht- und Überwurfschutze sollen den Kontakt zwischen beiden Seiten verhindern.


Stadionverbote

Die Ausschreitungen nach dem Spiel in Rostock haben es gezeigt: Stadionverbote werden im Kampf gegen die Gewalt bei Fußballspielen nur bedingt helfen. Zwar fühlen sich die Polizei, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) durch die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs in ihrem Ansatz bestätigt: Schon bei bloßem Verdacht von Gewalttaten können Verbote ausgesprochen werden, um Ausschreitungen erst gar nicht entstehen zu lassen. Dennoch können sie nicht das einzige Präventionsmittel bleiben. Längst hat sich die Gewalt aus dem Stadion auf die Straße verlagert – dorthin, wo das Verbot nicht greift. Zuletzt zu sehen am Montagabend in Rostock, wo die Ausschreitungen zwar in der Arena begonnen hatten, danach aber mit Straßenkämpfen vor dem Stadion eskalierten.

Nach der Diskussion um die Stadionverbote wird nun um die Einsätze außerhalb der Stadien gestritten, die laut Polizei jährlich mehr als 100 Millionen Euro verschlingen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert mehr Engagement von Liga und DFB, auch finanziell. »Wir erwarten, dass sie sich an den Kosten beteiligen«, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt und schlug eine pauschale Saisongebühr von 50 Millionen Euro vor. Dem Vorstoß erteilte der Präsident der DFL umgehend eine Absage. »Mit Schecks löst man keine gesellschaftlichen Probleme«, sagte Reinhard Rauball. Die DFL will eine andere Lösung suchen und demnächst den DFB, die Innenministerien der Länder, die Informationsstelle für Sporteinsätze und die Deutsche Polizeigewerkschaft zu einem Runden Tisch bitten. maw
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