Die SPD-Linke muckt auf
Basis-Ratschlag der Sozialdemokraten fordert radikale Politikwende
Der frühere Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Rudolf Dreßler, ging mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) scharf ins Gericht. Schröder habe einen beispiellosen Aderlass der Partei und historische Wahlniederlagen herbeigeführt, so Dreßler. Die frühere hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti forderte unter dem Beifall der Anwesenden: »Die SPD muss wieder den Mut zur Selbstbestimmung aufbringen und darf sich nicht von Schlagzeilen treiben lassen«. Sie erinnerte daran, dass der Hessen-SPD unter ihrer Führung Anfang 2008 entgegen dem Bundestrend mit einem linken Profil und Programm der »Sozialen Moderne« ein Zuwachs um acht Prozent gelungen sei. Damit habe die Partei Arbeitnehmer und frühere Nichtwähler ebenso angesprochen wie das progressive Bürgertum.
Mehrere Redner bedauerten, dass Ypsilanti und der ebenfalls anwesende Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer in Dresden nicht wieder für den SPD-Parteivorstand kandidieren wollen, dem sie bisher angehört hatten.
Es sei »skandalös«, dass es in Sachen Korruptionsbekämpfung keinen zuverlässigen Ansprechpartner in der SPD-Fraktion gebe, erklärte die frühere bayerische SPD-Landesvorsitzende Anke Martiny. »Der Wechsel von Schröder und Clement in die Wirtschaft hat uns schwer geschadet«, so Martiny. Ein SPD-Aktivist aus Baden-Württemberg wurde noch deutlicher: »Die Energiemafia hat die SPD korrumpiert«, erklärte er und bezeichnete den »Fall Clement« als »Spitze des Eisbergs«. Ex-Sozialdemokrat Clement, langjähriger Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister, hatte Anfang 2008 vor einer Wahl der Hessen-SPD gewarnt. Er ist als Aufsichtsratsmitglied des Kraftwerksbetreibers RWE tätig. Die Wahl Ypsilantis zur hessischen Ministerpräsidentin mit Duldung durch die LINKE war vor einem Jahr am Veto von vier Abweichlern in der SPD-Fraktion gescheitert. Beobachter sehen dahinter auch den Druck von Energiekonzernen, denen die vorgesehene Abschaltung einer betagten Atomanlage im hessischen Biblis ein Dorn im Auge war.
In der lebhaften Aussprache wurde der Wille vieler Basismitglieder deutlich, eine konsequente innerparteiliche Opposition aufzubauen. »Entweder es gibt die Erneuerung der SPD jetzt oder es gibt sie nicht«, erklärte ein Gewerkschafter: »Unter der Führung dieser Kräfte, die einen Putsch gegen Kurt Beck und Andrea Ypsilanti angezettelt haben, kann es niemals eine Erneuerung geben.« Ähnlich äußerte sich auch der frühere baden-württembergische Landtagsabgeordnete Klaus-Peter Wettstein. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck war im September 2008 unter Federführung des amtierenden Parteichefs Franz Müntefering zum Rücktritt vom SPD-Vorsitz gedrängt worden. Mit seiner Kritik an der designierten SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sprach der frühere Bundestagsabgeordnete Peter Conradi vielen Anwesenden aus Seele. Wer problemlos hintereinander für die Parteichefs Beck, Müntefering und Gabriel arbeite, könne für sich nicht in Anspruch nehmen, »links« zu sein. »Ich werde sie in Dresden nicht wählen«, erklärte Conradi und forderte die anwesenden Parteitagsdelegierten zu alternativen Kandidaturen bei der Wahl des Parteivorstands auf. Ein Redner regte aus dem Treffen heraus die Organisierung eines »Kasseler Kreises« an. Die SPD müsse mit einem linken Programm wieder »das Original werden und andere vor sich hertreiben«. Viele empfahlen einen langen Atem weit über den Bundesparteitag hinaus. »Von Dresden ist nichts zu erwarten«, warnte ein Redner und empfahl eine Kampagne für einen Sonderparteitag zur Aufarbeitung der aktuellen Krise. Ein klares wirtschaftspolitisches Profil für die SPD-Linke mahnte auch die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk an, die in den 1990er Jahren auch Mitglied im Parteivorstand war. Spätestens nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 werde sich die Wirtschaftskrise mit voller Wucht auswirken. Dann seien Angriffe auf soziale Errungenschaften zu befürchten.
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