Manövriermasse Migranten

Einwanderungskonferenz der UN in Athen

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
In Athen beschäftigte sich vergangene Woche eine Konferenz der Vereinten Nationen mit den wirtschaftlichen Folgen von Migration und Einwanderung. Griechische Verbände und Migrantenorganisationen kritisierten, die Regierungen sollten sich stärker der Frage des Umgangs mit Migranten widmen als der Frage eines wirtschaftlich Gelingens der Integration.

Es gehört ein gerüttelt Maß an Dreistigkeit dazu, wenn das »Globale Forum zu Migration und Entwicklung« (GFMD) sich in seiner Presseankündigung als Ziel setzt, daran zu arbeiten, dass »Menschen aus freier Wahl und nicht aus Notwendigkeit« ihre Heimat verlassen. Immerhin saß mit Teilnehmern aus 140 Ländern sowie von mehr als 40 internationalen Organisationen in der vergangenen Woche in Athen eine ganze Reihe Vertreter jener Staaten am Tisch, die mit »Kriegen gegen den Terror«, mit Waffenlieferungen an kriegführende Staaten und Gruppen und mit ihrer Politik dafür sorgen, dass dieses Ziel derzeit nicht realisiert werden kann.

Ansonsten verlief das Treffen in den schon auf dem Gründungsforum 2007 in Belgien formulierten Denkbahnen, die Migration zuerst unter den Gesichtspunkten der »Entwicklung von Humankapital und Arbeitskraftmobilität« und an zweiter Stelle der »finanziellen, sozialen und anderen Beiträge« betrachtet, »die Migranten für ihre Herkunfts- und Gastländer erbringen könnten«. Müßig zu erwähnen, dass in den Visionen des GFMD für all jene Migranten, die nicht über die gewünschten Qualifikationen für Beiträge zur Entwicklung der Gastländer verfügen, auch kein Platz in denselben ist. Sie fielen auf der Tagung unter die Rubriken »Repatriierung« und »Grenzsicherung«.

»Auf dem 3. GFMD war nichts vom Schmerz der Entwurzelten und Hungrigen zu spüren, waren nicht die Schreie der in modernen Konzentrationslagern Eingesperrten zu hören, war keine Spur der Tränen für die an den Grenzen Getöteten zu sehen«, kommentierte denn auch die Kommunistische Partei Griechenlands das Treffen. Ebenso vorsätzlich sei nicht über die Gründe für Flucht und Migration geredet worden, »um die tatsächlichen Schuldigen, die imperialistischen Invasionen, Besatzung und Ausbeutung zu verschleiern«.

Globale Rechte für alle Migranten, unabhängig von ihren »Beiträgen«, forderten dagegen zwei parallel zum GFMD abgehaltene Gegenforen. Regierungen dürften Migranten nicht als Manövriermasse ansehen, die sie entsprechend ihren ökonomischen Launen aufstellen können, forderte etwa William Gois, Vorsitzender der Organisation Migrants Rights International auf dem Treffen der »Globalen Aktion der Völker für Migration, Entwicklung und Menschenrechte«. Auf dem von der »Internationalen Versammlung von Migranten und Flüchtlingen« veranstalteten »Gegengipfel« wurde auch die Rolle der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX unter die Lupe genommen.

Im Gegensatz zum von der griechischen Regierung hofierten GFMD wurde der Gegengipfel bereits vor seiner Eröffnung behindert. Gestützt auf die Behauptung, bei einem der Mitorganisatoren, dem Griechischen Sozialforum, handele es sich um eine gewaltbereite linksradikale Struktur, wurde einigen der ausländischen Referenten das Visum verweigert. Auch die am Mittwoch veranstaltete Demonstration beider Gegenforen wurde von der griechischen Polizei mehrere hundert Meter vor Erreichen des Tagungsortes des GFMD gestoppt. Selbst eine Delegation zur Überreichung einer Resolution aus den Gegenforen an die Regierungsvertreter wurde nicht durchgelassen.

Derartige Schwierigkeiten hatte das ins GFMD eingebundene Treffen der »Zivilgesellschaft« nicht. Hier waren Vertreter von wissenschaftlichen Gremien, Kirchen, Gewerkschaften und anderen Nichtregierungsorganisation in einem Luxushotel an der Küste Athens zusammengekommen, um per Abschlusserklärung der Versammlung der Regierungsvertreter das Feigenblatt in Sachen Menschenrechte zu liefern. Bezahlt wurde die Veranstaltung von der Stiftung der schwerreichen griechischen Reederfamilie Onassis.

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