Raumverbot für israelischen Historiker

Münchens OB Ude gerät unter Druck. Die Grünen sprechen von politischer Feigheit, die LINKE will eine Entschuldigung

  • Rolf-Henning Hintze, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Der israelische Historiker Ilan Pappe ist wegen seines Buches »Die ethnische Säuberung Palästinas« in Israel umstritten, während er im Ausland Anerkennung genießt. Auf Druck der Deutsch-Israelische Gesellschaft AG München wurde Pappe dieser Tage die Zusage für einen städtischen Vortragsraum entzogen.
Ilan Pappe, regierungskritischer Historiker aus Israel
Ilan Pappe, regierungskritischer Historiker aus Israel

Ein gegen den israelischen Historiker Ilan Pappe ausgesprochenes Raumverbot in München sorgt dafür, dass sich Münchens populärer Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) starker Kritik ausgesetzt sieht. Sie kommt von den Grünen, den LINKEN und von Attac München. Doch doch am empfindlichsten dürfte den Oberbürgermeister berühren, was der deutschstämmige israelische Professor nun selbst in einen Offenen Brief an Ude vorgebracht hat.

»Mein Vater wurde als deutscher Jude in ähnlicher Weise in den frühen 30er Jahren zum Schweigen gebracht, und es ist traurig, Zeuge der Wiederkehr der gleichen Zensur im Jahre 2009 zu sein«, schreibt Pappe. Nirgendwo sonst in Europa habe er eine derart repressive Haltung und eine solche Bereitschaft zur Unterwerfung erlebt.

Pappe führt das auf Einschüchterung durch einige wenige Leute zurück, »die sich anmaßen, Repräsentanten der jüdischen Erfahrung und Katastrophe zu sein«. Damit zielt der in Haifa geborene deutschstämmige Historiker auf die Deutsch-Israelische Gesellschaft AG München. Sie hatte den den Oberbürgermeister aufgefordert, dem Historiker Pappe den für seinen Vortrag zugesagten städtischen Raum zu entziehen, weil sie eine »antiisraelische Propagandaveranstaltung« befürchtete.

Pappe, der früher in Haifa und seit 2007 an der englischen Universität Exeter lehrt, ist wegen seines Buches »Die ethnische Säuberung Palästinas« in Israel sehr umstritten, während er im Ausland große Anerkennung genießt. Der Historiker macht die zionistische Ideologie der Führung unter Ben Gurion dafür verantwortlich, dass Zehntausende von Palästinensern vor und nach der israelischen Staatsgründung im Jahre 1948 vertrieben wurden. Im Unterschied zu den meisten israelischen Historikern hat Pappe auch Aussagen von Augenzeugen und Überlebenden von Massakern in seine Untersuchungen einbezogen.

Die Stadt München gab dem Veranstalter des geplanten Vortrags, dem Arbeitskreis Palästina/Israel Salam Shalom, erst einen Tag vor dem Termin bekannt, dass der Nutzungsvertrag widerrufen sei. Gründe dafür nannte sie zunächst nicht, später führte sie »Sicherheitsbedenken« an. Der Polizei ist von solchen Bedenken allerdings nichts bekannt. Oberbürgermeister Ude war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

In München hat die Maßnahme der Stadt starke Kritik hervorgerufen. Siegfried Benker, der Vorsitzende der Rathausfraktion der Grünen, die in der bayerischen Landeshauptstadt mit der SPD koalieren, sprach von einem »Akt politischer Feigheit«. Er reichte eine längere Anfrage ein, in der er Auskünfte verlangt. Der Kreisverband der LINKEN erklärte, es sei zwar unstrittig, dass Deutschland wegen seiner Vergangenheit »in hohem Maß politisch sensibel reagieren« müsse, wenn es um jüdische Belange gehe. Doch der Versuch, Israel wegen der deutschen Vergangenheit mittels Informationsverweigerung und Raumverbot gegen Kritik zu immunisieren, sei »moralisch unglaubwürdig und politisch inakzeptabel«.

Die LINKE forderte den Münchner Oberbürgermeister auf, sich bei Pappe zu entschuldigen. Die Lokalgruppe des globalisierungskritischen Netzwerks Attac schrieb in einem Offenen Brief an den Sozialdemokraten Ude, die Stadt habe »einen Präzedenzfall geschaffen, der das Grundrecht der Versammlungsfreiheit berührt«.

Die angeblichen Sicherheitsbedenken bezeichnete Attac als unglaubwürdig und vorgeschoben. Wenn Vorträge in städtischen Einrichtungen davon abhängig gemacht würden, dass die Referenten genehm seien, sei die Meinungsfreiheit gefährdet.

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