Grüne Hoffnung für Klimagipfel
Rüstzeug für Kopenhagen: Internationale Energieagentur fordert drastische Maßnahmen
Am Dienstag präsentierte die Internationale Energieagentur (IEA) ihre jährlichen Prognosen für den weltweiten Energieverbrauch. Der »World Energy Outlook« ist nicht nur die Bibel der Energiewirtschaft. Der Bericht liefert Daten, die den Verhandlungspartnern beim Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember als wichtige Argumentationshilfe dienen sollen. Schließlich ist der weltweite Energiebedarf der Kern des internationalen Klimaproblems: 65 Prozent der schädlichen Treibhausgase entstehen beim Verbrennen fossiler Energieträger.
»In Kopenhagen haben die Regierungschefs eine historische Gelegenheit, die schwersten Folgen des Klimawandels abzuwenden«, sagte IEA Exekutivdirektor Nobuo Tanaka bei der Pressekonferenz in London. Nach Ansicht der IEA-Experten gibt es sowohl Grund zur Vorsicht als auch zum Optimismus. So hat die Wirtschaftskrise laut IEA dafür gesorgt, dass der Ausstoß von Kohlendioxid in diesem Jahr um drei Prozent sinkt. Das ist der stärkste Rückgang seit 40 Jahren. Exekutivdirektor Tanaka sieht die jüngsten Entwicklungen als Chance, »wirklichen Fortschritt mit sauberer Energie zu machen, sofern die richtigen Entscheidungen getroffen werden«. Unter Leitung von Chefökonom Fatih Birol hat die IEA ein Maßnahmenprogramm erarbeitet, das die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre langfristig auf 450 ppm (Teilchen pro eine Million Luftteilchen) reduziert. Damit könnte eine Erderwärmung bis 2050 unter zwei Grad gehalten werden.
Wenn hingegen nichts unternommen werde, sei eine Erderwärmung von sechs Grad Celsius zu erwarten. Das sogenannte Referenzszenario geht von einem Anstieg des Energiebedarfs um 40 Prozent bis 2030 aus. 16,8 Milliarden Tonnen Öl wären dann erforderlich. Die Länder außerhalb der OECD stellen dabei den Löwenanteil des Bedarfs. Allen voran China und Indien. China wird sich zum größten Verbraucher der Welt entwickeln und nach 2025 die USA übertrumpfen.
Die rasante Entwicklung Chinas hat allerdings auch für eine Überraschung gesorgt. Nach Plänen Pekings soll dort bis 2020 eine Kohlendioxid-Senkung von einer Gigatonne erreicht werden. Das entspräche 25 Prozent der notwendigen Senkung des CO2-Ausstoßes um insgesamt 3,8 Gigatonnen, die nach dem 450-ppm-Szenario bis 2030 erforderlich wäre. Das macht die Chinesen zum Vorreiter des Kampfes gegen die schädlichen Treibhausgase.
Um die Ziele des 450-ppm-Szenarios zu erreichen, ist eine Abkehr von fossilen Brennstoffen unerlässlich. Ohnehin, so Birol, sei »die Ära günstiger Ölpreise vorbei«. Nicht zuletzt weil niemand weiß, wie lange die Ölquellen noch sprudeln werden. Der britische »Guardian« berichtete, die IEA habe auf Druck der USA die wahren Zahlen zu Ölvorkommen geschönt, um die Ölpreise nicht zu gefährden. Birol bestreitet dies. Auch die Kritik, die IEA sei der »Wachhund der reichen Nationen« wiesen Tanaka und Birol ab. Sie sehen sich vielmehr als »Wachhund für Energie weltweit«. Dabei unterstrichen sie, dass mehr als 1,5 Milliarden Menschen weltweit noch immer ohne Strom lebten.
Trotz drastischer Prognosen, die Welt bräuchte »viermal Russland«, um den Gasbedarf bis 2030 zu decken, sieht die IEA den Brennstoff als kleineres Übel, der als Brücke zu erneuerbaren Brennstoffen fungieren könnte. Beide Szenarien prognostizieren einen Anstieg des Gasverbrauchs. Dabei könnten die USA möglicherweise sogar Gas exportieren. Eine Entwicklung, die auch für Deutschland interessant sein könnte.
Tanaka fordert Investitionen von mehr als 10,5 Billionen US Dollar, um das »Szenario 450« zu erfüllen. Neben erneuerbaren Ressourcen, Nuklearenergie und Karbonspeichertechnologien befürwortet die IEA vor allem eine effizientere Nutzung bestehender Energiequellen. Tanaka und Birol fordern die Zusammenarbeit aller Länder. »Das Ziel ist erreichbar«, sagte Tanaka. Die Kosten fürs Nichtstun würden hingegen bald ins Unermessliche steigen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.