Worte fliegen wie Pfeile
»Bunbury – Ernst ist ein Spiel« mit Schareggs Theaterdiscounter-Version
Ein Wort jagt das andere bei »Bunbury – Ernst ist ein Spiel« im Theaterdiscounter. Worte fliegen wie Pfeile. Faszinierend ist die Freude der Schauspieler am Disput. Vorausgesetzt man liebt schnelles Denken und Schlagfertigkeit. Georg Scharegg hat Oscar Wildes Stück für seine 90-Minuten-Fassung selbst übersetzt und mit vier temperamentvollen Schauspielern inszeniert. Es gelang ihm, den feinen englischen Humor zu erhalten und mit heutigem Sprachwitz und Spott über das so genannte Neudeutsch zu versehen.
Die Handlung der 1895 am Londoner St.-James-Theater uraufgeführten Komödie »The Importance of Being Ernest« (Ernst sein ist alles) in drei Akten, vermeint jeder zu kennen. Letztlich aber bergen die vielen Verstrickungen immer wieder neue Überraschungen. Der Stoff ist mehrfach verfilmt worden und schmückt immer wieder die Theaterspielpläne. Gerade hatte »Ernst ist das Leben (Bunbury)« in einer anderen Übersetzung am Thalia Theater im Hamburg Premiere.
Bunbury? Das ist doch der erfundene kranke Freund auf dem Lande, um den sich der Gentleman Algernon Moncrieff angeblich dauernd kümmern muss. Seine Tante Augusta meint, der solle sich mal endlich entscheiden, ob er leben oder sterben will. Und dann ist da noch John Worthing, genannt Jack, der vom Lande immer in die Stadt kommt und sich dort als sein Bruder Ernst ausgibt, den es nicht gibt. Als solcher hat er Algernons Cousine Gwendolen Fairfax seine Liebe erklärt. Algernon wiederum wirbt um die Gunst von Jacks Mündel Cecily Cardew. Beide Frauen hatten sich jedoch für ihre Zukunft vorgestellt, dass der Mann, den sie mal heiraten, unbedingt Ernst heißen müsse. Da wisse man, was man hat.
In der Umsetzung folgt nun der Regisseur dem Autor, das Gespräch als Voraussetzung jeglicher menschlichen Bindung zu modifizieren. Scharegg spielt mit den jeweils diese und jene Absicht transportierenden Variationen. Da sind Gesprächsausgangspunkte im Scherz und aus Angeberei, solche mit Angriff und Verteidigung, als Geschwätz mit und ohne Tee, als Werben um die Gunst des anderen, als Befragung oder als Plädoyer. Es gibt auch das als verblödendes, mit Sing-Sang ausgestattete Selbstgespräch wie »Jede Zelle meines Körpers ist glücklich...«.
Das alles ist amüsant und temperamentvoll umgesetzt. Keineswegs gerät dabei die absurde Handlung ins Alberne. In Wildes Sinne wird ernsthaft gespielte Trivialität bezaubernd. Als Jack legt Sven Tjaben sich mit Nonchalance ins Zeug. Christoph Schüchner will ihn als Algernon mit Arroganz in die Schranken weisen, hat aber doch selbst ein »Skelett im Schrank«, wie die Engländer sagen. Da ist was auszuhandeln. Ohne seine Zustimmung nämlich wird aus Jacks Heirat mit dem Mündel Cecily nichts.
Diese ihre Ziele ehrgeizig Verfolgende Cecily wird gespielt von Cathrin Romeis und hat zeitweise ihre eigene Sprache. Immer, wenn sie Deutsch lerne, sei sie »total geburnt«. Einen Streit nennt sie angeekelt »Wie übergriffig!«. Bei den oft überlappenden Dialogen lässt sich auch Susanne Berckhemer als Gwendolen nicht unterkriegen, selbst wenn es noch so »bunburysierend« wird.
Alles ist zum einen schön britisch und zum anderem herrlich frech. Die Kostüme von Lotte Sawatzki und die Bühne von Silke Bauer sind ebenso skurril. Da kommen die Damen plötzlich aus einer Treppenstufe zwischen den Zuschauern hervor, als sei das die selbstverständlichste Sache der Welt. Die ganze Geschichte findet ihr gutes Ende, nachdem Tante Augusta Jack und andere in die Zange genommen hat. Jetzt ist allen Ernstes wirklich Ernst im Spiel. Und der Beweis wird angetreten, dass man »gefunden und aufgewachsen in einer Handtasche« noch groß rauskommen kann.
Wer sich diesen geistreichen Spaß im Theaterdiscounter gönnen will, dem geben die Schauspieler mit ihrer Lust an der Arbeit mindestens ein Lächeln mit. Es lohnt. Man fühlt sich überhaupt nicht »geburnt«.
25., 26., 28., 29.11., 1., 2. und 6.12., 20 Uhr, Theaterdiscounter, Klosterstraße 44 (gegenüber der Klosterkirchenruine), Mitte, Tel.: 28 09 30 62, Informationen unter www.theaterdiscounter.de
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.