Strom und Wärme selbst gemacht
In Thüringen setzen immer mehr Dörfer auf Bioenergie. Und auf Unabhängigkeit von Großversorgern
wächst auch im Bundesland Thüringen. Doch nicht nur ökologische Ideale und Sparwillen treiben die Bürger.
Schlöben/Jena. Hans-Peter Perschke wird belagert. Zwei Bauarbeiter, ein Ingenieur und eine Frau von der Thüringer Aufbaubank stehen in der Morgensonne vor seinem Büro in einem Fachwerkhaus. Der Bürgermeister von Schlöben, einem Dorf bei Jena, hat sie zu Verhandlungen geladen für sein ökologisches Prestige-Projekt. Denn Perschke will sein idyllisches Dorf als eines der ersten in Thüringen unabhängig machen von der zentralen Energieversorgung. Holz, Mais und Rindergülle sollen künftig für Strom und Wärme sorgen.
»Ginge es nach mir, machen wir die ersten zwei von den sechs Orten, die zur Gemeinde gehören, ab 2010 energieautark«, sagt Perschke. Die Förderanträge sind eingereicht und die Hälfte der 160 Haushalte in Schlöben wollen der kürzlich gegründeten Bioenergiedorf-Genossenschaft beitreten. Sie sichert ihnen Unabhängigkeit von schwankenden Preisen für fossile Energieträger wie Erdgas oder Öl. Schlöben setzt auf eine 700 000-Euro-Biogasanlage, ein Blockheiz-Kraftwerk und ein Nah-wärme-Netz. 2010 soll eine Holzschnitzel-Anlage hinzukommen, denn an dem nachwachsenden Rohstoff hat es im Holzland naturgemäß noch nie gemangelt. Mitglieder der Genossenschaft zahlen für den Netzanschluss einmalig 2000 Euro. Dafür bleiben ihre Heizkosten über Jahrzehnte konstant. »Unsere Preise liegen gleichauf mit denen für Gas oder Heizöl«, sagt Perschke.
In der Biogasanlage wird ab Ende 2010 die erste Rindergülle zum Brennstoff, mit dem im Blockheiz-Kraftwerk Strom erzeugt wird. Er wird ins öffentliche Netz eingespeist. Die Mitglieder der Genossenschaft erhalten im Gegenzug eine Einspeisevergütung. Dafür baut die Agrargenossenschaft in der Gemeinde ihre Milchvieh-Haltung aus: »Da wird antizyklisch investiert, statt 350 stehen bald 500 Kühe im Stall«, erklärt der Bürgermeister.
Dem Vorreiter Schlöben in Ostthüringen folgt Günthersleben-Wechmar im Landkreis Gotha. »Bei der Bürgerversammlung haben sich 98 Prozent für das Projekt Bioenergiedorf entschieden«, sagt Bürgermeister Frank Ritter. Zu seiner Gemeinde gehören mehr als 500 Hektar Wald, die genug Brennstoff für eine Holzschnitzel-Anlage und damit Wärme für drei Ortsteile liefern. Im südthüringischen Dermbach ist ebenfalls die Entscheidung für einen Alleingang in Sachen Energieversorgung gefallen, Stedtlingen könnte bald folgen.
Seit dem Jahr 2007 greift in Thüringen die Beratungsstelle BIOBETH im Auftrag der Landesregierung umstellungswilligen Kommunen unter die Arme. »Es reicht nicht, allein auf das Solar-Valley zu setzen«, warnt Schlöbens Bürgermeister Perschke. Er fordert seine Amtskollegen auf, ähnliche Visionen zu entwickeln. Ihn treiben nicht nur ökologische Ideale und der Sparwillen seiner Bürger an: »Wenn eine Gebietsreform ansteht, haben wir als Bioenergie-Dorf die besten Argumente, um unabhängig zu bleiben.«
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