Strom und Wärme selbst gemacht

In Thüringen setzen immer mehr Dörfer auf Bioenergie. Und auf Unabhängigkeit von Großversorgern

  • Ulrike Hendan, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl der Bioenergie-Dörfer

wächst auch im Bundesland Thüringen. Doch nicht nur ökologische Ideale und Sparwillen treiben die Bürger.

Schlöben/Jena. Hans-Peter Perschke wird belagert. Zwei Bauarbeiter, ein Ingenieur und eine Frau von der Thüringer Aufbaubank stehen in der Morgensonne vor seinem Büro in einem Fachwerkhaus. Der Bürgermeister von Schlöben, einem Dorf bei Jena, hat sie zu Verhandlungen geladen für sein ökologisches Prestige-Projekt. Denn Perschke will sein idyllisches Dorf als eines der ersten in Thüringen unabhängig machen von der zentralen Energieversorgung. Holz, Mais und Rindergülle sollen künftig für Strom und Wärme sorgen.

»Ginge es nach mir, machen wir die ersten zwei von den sechs Orten, die zur Gemeinde gehören, ab 2010 energieautark«, sagt Perschke. Die Förderanträge sind eingereicht und die Hälfte der 160 Haushalte in Schlöben wollen der kürzlich gegründeten Bioenergiedorf-Genossenschaft beitreten. Sie sichert ihnen Unabhängigkeit von schwankenden Preisen für fossile Energieträger wie Erdgas oder Öl. Schlöben setzt auf eine 700 000-Euro-Biogasanlage, ein Blockheiz-Kraftwerk und ein Nah-wärme-Netz. 2010 soll eine Holzschnitzel-Anlage hinzukommen, denn an dem nachwachsenden Rohstoff hat es im Holzland naturgemäß noch nie gemangelt. Mitglieder der Genossenschaft zahlen für den Netzanschluss einmalig 2000 Euro. Dafür bleiben ihre Heizkosten über Jahrzehnte konstant. »Unsere Preise liegen gleichauf mit denen für Gas oder Heizöl«, sagt Perschke.

In der Biogasanlage wird ab Ende 2010 die erste Rindergülle zum Brennstoff, mit dem im Blockheiz-Kraftwerk Strom erzeugt wird. Er wird ins öffentliche Netz eingespeist. Die Mitglieder der Genossenschaft erhalten im Gegenzug eine Einspeisevergütung. Dafür baut die Agrargenossenschaft in der Gemeinde ihre Milchvieh-Haltung aus: »Da wird antizyklisch investiert, statt 350 stehen bald 500 Kühe im Stall«, erklärt der Bürgermeister.

Dem Vorreiter Schlöben in Ostthüringen folgt Günthersleben-Wechmar im Landkreis Gotha. »Bei der Bürgerversammlung haben sich 98 Prozent für das Projekt Bioenergiedorf entschieden«, sagt Bürgermeister Frank Ritter. Zu seiner Gemeinde gehören mehr als 500 Hektar Wald, die genug Brennstoff für eine Holzschnitzel-Anlage und damit Wärme für drei Ortsteile liefern. Im südthüringischen Dermbach ist ebenfalls die Entscheidung für einen Alleingang in Sachen Energieversorgung gefallen, Stedtlingen könnte bald folgen.

Seit dem Jahr 2007 greift in Thüringen die Beratungsstelle BIOBETH im Auftrag der Landesregierung umstellungswilligen Kommunen unter die Arme. »Es reicht nicht, allein auf das Solar-Valley zu setzen«, warnt Schlöbens Bürgermeister Perschke. Er fordert seine Amtskollegen auf, ähnliche Visionen zu entwickeln. Ihn treiben nicht nur ökologische Ideale und der Sparwillen seiner Bürger an: »Wenn eine Gebietsreform ansteht, haben wir als Bioenergie-Dorf die besten Argumente, um unabhängig zu bleiben.«

www.bioenergiedorf.de

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.