Schatzbrief aus Hannover
Die niedersächsische Hauptstadt geht eigenen Weg auf dem Kapitalmarkt
Stadtanleihen werden in Europa vor allem von Hauptstädten wie Rom, Madrid, Paris und Warschau genutzt. In Deutschland sind sie bislang eine Rarität, bei der es nur am Rande ums Geld geht. So versuchte die Stadt München 1994 und 1995 mit der Ausgabe von »Schmuckbildanleihen« ihre Einwohner stärker einzubinden und Interesse an der Haushaltslage zu wecken: Die Anteilsscheine dieser Stadtanleihe waren mit historischen Stadtmotiven geschmückt.
Hannover gehört nicht zu den ärmsten Kommunen. Doch mit der Emission betritt sie »bisher kaum kartografiertes Terrain«, meint Matthias Kreie, Analyst bei der NordLB. Kreie erwartet ein bundesweites Signal durch die Anleihe. »Wenn sie erfolgreich verläuft, könnte sie eine ganze Reihe anderer Städte auf den Plan rufen.«
Vielerorts ist die Haushaltslage der Städte und Gemeinden angespannt bis katastrophal. Wie schwer sich viele Kommunen mittlerweile tun, wenigstens eine kulturelle Grundversorgung sicherzustellen, zeigt das Beispiel Wuppertal. Wegen der miserablen Haushaltslage erwägt die Friedrich-Engels-Stadt, ihr denkmalgeschütztes Schauspielhaus zu schließen. Wer hoch verschuldet ist, bekommt von Banken nur noch schwer Geld geliehen und dann zu einem hohen Zinssatz. Daher beobachten Experten, dass sich Kommunen verstärkt mit alternativen Finanzierungsformen beschäftigen.
Bundesweit Schlagzeilen machte kürzlich ein »Quickie« (»Financial Times«) aus Quickborn. Die Stadt beschaffte sich vier Millionen Euro mittels eines Bürgerkredits von den Einwohnern. Das schleswig-holsteinische Innenministerium und die Bundesfinanzaufsicht BaFin haben jedoch Ähnliches untersagt: Gemeinden dürften keine Bankgeschäfte betreiben.
Das Beispiel Quickborn zeigt aber den Bedarf an neuen Finanzquellen. Die Schlüsselrolle in der Fremdfinanzierung der Kommunen kommt bislang dem Kommunalkredit zu. Ein klassisches Darlehen, das mit einer Sparkasse, einer öffentlichen Landesbank oder einem privaten Kreditinstitut langfristig abgeschlossen wird.
Die am Montag startende Hannoveranleihe ist dazu ein direktes Konkurrenzprodukt. An ihm scheinen alle gut zu verdienen. Aus Sicht der Konsortialführer NordLB, der genossenschaftlichen WGZ und der Stadtsparkasse muss für eine Anleihe kein Eigenkapital bereitgestellt werden. Anteilskäufer freuen sich über eine risikolose Geldanlage, die etwas höhere Zinsen bietet als ein Bundesschatzbrief. Und die Stadt dürfte sich unterm Strich günstiger verschulden als bei einem klassischen Kredit.
Auch die LINKE hat »prinzipiell nichts gegen Anleihen«, sagt Ratsherr Oliver Förste. »In diesem Fall sind wir aber dagegen.« Mit den 105 Millionen soll eine Kapitalerhöhung der Hannover-Messe finanziert werden. Die Messe sei zwar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, so Förste, aber wenn überall gespart werden müsse, sei eine zusätzliche Verschuldung zugunsten der Messe unverantwortlich.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.