Knackpunkt Internetsperre
EU-Telekom-Paket sorgt für Lob und Kritik bei Datenschützern
Jahrelang wurde gerungen und gestritten, nun konnte die Telekommunikationsrichtlinie der EU endlich verabschiedet werden. Kundenfreundlicher soll der Telefon- und Internetmarkt in Europa dadurch werden – Daten- und Verbraucherschützer sehen aber einigen der ab 2011 in Kraft tretenden Neuregelungen dennoch mit gemischten Gefühlen entgegen.
Ohne elektronische Kommunikation funktioniert heutzutage nicht mehr allzu viel. Für den immer unübersichtlicher gewordenen Telekommunikationsmarkt müssen also klare Regelungen her, die länderübergreifend wirken. Nach monatelangen zähen Verhandlungen wurde in dieser Woche das sogenannte Telekom-Paket, ein Bündel aus fünf EU-Richtlinien, verabschiedet. Vielleicht wichtigste Festlegung: Der Internetzugang wird als schützenswertes Recht angesehen, gleichsam auf eine Stufe mit den Grundrechten gestellt.
Weitere wichtige Punkte der bis 2011 von allen EU-Ländern verbindlich umzusetzenden Richtlinie sind der schnellere Anbieterwechsel, der Schutz vor unerwünschter Internetwerbung und die – bis zuletzt heftig umstrittene – Neuregelung zur Sperrung von Internetzugängen bei Rechtsverstößen. Für die Verbraucher heißt das, sie können künftig innerhalb eines Tages den Telefon- oder Internetanbieter wechseln, wenn ihr alter Vertrag ausläuft. Zudem muss der neue Anbieter die Mitnahme der Rufnummer garantieren. Michael Bobrowski, Referent für Telekommunikation, Post und Medien beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), äußerte sich gegenüber ND überrascht über diese ehrgeizige Vorgabe. Ob sie praktikabel sei, müsse sich erst zeigen.
Bobrowski bescheinigte der EU-Richtlinie weitere positive Aspekte. Die Kunden hätten bald mehr Einblick in die Preis- und Vertragsgestaltung der Telekommunikationsunternehmen – eine Transparenz, die Verbraucherschützer seit Jahren fordern. Dass Verträge nun höchstens für die Dauer von 24 Monaten abgeschlossen werden könnten, erlaube den Verbrauchern mehr Flexibilität.
Auch für den Datenschutz soll in Zukunft mehr getan werden: Internetseitenanbieter dürfen demnächst Daten über die Besucher ihrer Seiten nicht mehr so einfach speichern wie bisher. Zudem sollen die Anbieter künftig Nutzerdaten sicherer aufbewahren müssen.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) begrüßt die Neuregelung deshalb, allerdings mit einem »lachenden und einem weinenden Auge«, wie Kai-Uwe Steffens gegenüber ND sagte. Die Datenschutzinitiative bescheinigt dem Europaparlament zwar »einen Schritt in die richtige Richtung«, dennoch seien die Erwartungen höher gewesen. Immerhin komme in Sachen Datenschutz aber langsam Bewegung in die Politik. Als Beispiel nannte Steffens das umstrittene Bankdatenabkommen zwischen der EU und den USA: Am Donnerstag hatten die Fraktionsspitzen aller EU-Parlamentsfraktionen die EU-Innenminister aufgefordert, auf die im Namen des Antiterrorkampfes geplante Weitergabe von Kontodaten an die USA zu verzichten.
Größter Knackpunkt bei den Verhandlungen über das Telekom-Paket und zudem größter Kritikpunkt von Daten- und Verbraucherschützern sind die geplanten Regelungen zur Internetzugangssperre. Netzzugänge dürfen zwar nur noch in Ausnahmefällen gesperrt werden, dennoch bleibt die Rechtslage nach Ansicht des AK Vorrat unsicher. Der befürchtet, dass die nur für Terrorismusverdacht und die Verhinderung von Kinderpornografie gedachten Ausnahmen Einfallstor für andere Interessen sein könnte. Musikkonzerne könnten so ebenfalls Sonderregelungen – zum Beispiel für Raubkopierer – fordern.
Kritisch sieht man die Regelung auch bei den Verbraucherschützern. Bobrowski sagte, der Kompromiss sei nicht überzeugend, da ein Richtervorbehalt nicht ausdrücklich verlangt werde. Man könne nur hoffen, dass die Internetsperre, wie im Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung versprochen, hierzulande gar nicht erst eingeführt werde.
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