Solidarische Kooperation statt Freihandel
Die globalisierungskritische Bewegung ist zehn Jahre alt – und hat Alternativen zum WTO-Projekt
Wachstum durch neue Exportrekorde – das ist die Formel der neuen schwarz-gelben Bundesregierung für den Weg aus der Krise. Im Koalitionsvertrag heißt es daher, dass »ein zügiger und ehrgeiziger Abschluss der Doha-Welthandelsrunde absoluten Vorrang« hat. Auch eine Weltwirtschaftskrise hat an dieser neoliberalen Programmatik bisher nichts ändern können.
Zur Erinnerung: Vor exakt zehn Jahren wurden die Proteste und Blockaden gegen die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle im Jahre 1999 zur symbolischen Geburtsstunde der globalisierungskritischen Bewegung. Heute beginnt in Genf erneut eine Ministerkonferenz. Die laufende Verhandlungsrunde der WTO wurde bereits 2001 im Emirat Katar gestartet und dümpelt seitdem vor sich hin.
Obwohl die Weltwirtschaftskrise die Doktrin von Liberalisierung und Deregulierung erschüttert hat, sitzen ihre Anhänger weiterhin fest im Sattel. Daher ist es auch kein Wunder, dass eine weitere Verschärfung von Handelsliberalisierung als »Lösung« propagiert wird. Genau diese Politik ist jedoch eine der Hauptursachen der Krise. Ein Baustein dieser Weltwirtschaftsunordung ist das »Financial Services Agreement« der WTO, welches die Deregulierung der Finanzmärkte mit vorangetrieben hat. Zudem sorgten die Marktöffnungen durch die WTO und andere Freihandelsverträge dafür, dass sich global die ökonomischen Ungleichgewichte zuspitzten. Das Resultat: mehr Instabilität in der Weltwirtschaft. Nicht zuletzt sichert das Regime der WTO die globale Standortkonkurrenz und damit den andauernden Druck auf die Löhne ab. Das bedeutet Umverteilung von Arm zu Reich. »Die Krise hat ihre Wurzeln in der massiv gestiegenen Ungleichheit«, stellt der DGB-Chefökonom Dierk Hirschel fest. Weitere ökonomische Schocks sind deshalb programmiert. Zumal auch der internationale Handel mit hochriskanten Derivaten und anderen Papieren wieder boomt, neue Blasen wirft und einen Aufschwung suggeriert.
Die WTO-Konferenz in Genf hat nun zum Ziel, neue Wege für die Handelsliberalisierung zu suchen und protektionistische Politik zu bekämpfen. Eine Zunahme des klassischen Protektionismus wie Schutzzölle ist aber bisher kaum sichtbar. Der Konkurrenzkampf der großen Konzerne wird wegen ihrer eigenen transnationalen Wertschöpfungsketten und Abhängigkeit von verschiedenen Märkten nicht vorrangig über Zölle, sondern über den Zugriff auf öffentliche Mittel, z. B. Steuererleichterungen, Subventionen etc., geführt. Hinzu kommt eine scharfe Währungskonkurrenz.
Mit dem Aufstieg der Schwellenländer hat sich das Machtgefüge der WTO in den letzten Jahren zu einer eher multipolaren Konstellation verschoben. Zumindest in Lateinamerika hat dies die Spielräume für soziale Bewegungen vergrößert und die Verhinderung zahlreicher Freihandelsabkommen ermöglicht. Dennoch sind bilaterale Freihandelsverhandlungen wie zwischen Indien und der EU weiter auf dem Vormarsch.
Diese Krise bietet nun eine Chance, die Liberalisierungsdoktrin zurückzudrängen, um permanente Konkurrenz durch Kooperation und regionalisierte Wirtschaftskreisläufe zu ersetzen. Dazu muss internationale Handels- und Investitionspolitik aber wieder politisiert werden, statt sie als Sachzwang einfach hinzunehmen. Ohne eine veränderte Haltung der Gewerkschaften wird dies allerdings nicht möglich sein. Anstatt davon auszugehen, dass in den kommenden globalen Wettbewerbsrunden um energie-effiziente Produkte das schmale Siegertreppchen für deutsche Unternehmen reserviert sein wird, gilt es, solidarische Formen des globalen Güteraustauschs zu organisieren. Die aktuelle Konkurrenz um Standorte und Entlassungen in der Autoindustrie sind sonst ein Menetekel für viele andere Sektoren.
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