Mit Volldampf ins Achtelfinale
Champions League: Der FC Bayern gewinnt das Schlüsselspiel in Turin mit 4:1 und glaubt an die Wende zum Besseren
Es gab nichts an Louis van Gaal, was auf das freudige Ereignis ein paar Stunden zuvor hindeutete. Keine stolze Geste, keine glänzenden Augen, kein erleichtertes Lächeln. Der Trainer des FC Bayern München wirkte wie immer, als er am Mittwochmorgen in Turin das Flugzeug bestieg: Unnahbar, fast frostig. »Sie werden mich am Tag nach einem Sieg niemals euphorisch erleben«, erklärte er. »Ich bin nur euphorisch im Moment des Tores.« Er hatte seine Emotionen schon im Olympiastadion von Turin ausgelebt – viermal am Dienstagabend. Das 4:1 des FC Bayern gegen Juventus bedeutete mehr als den Einzug ins Achtelfinale der Champions League. In 90 Minuten hatte die Mannschaft die bisherige Saison auf den Kopf gestellt. Vor vier Wochen waren die Münchner beinahe schon ausgeschieden.
Beim Bankett sprach Karl-Heinz Rummenigge von einer »magischen Nacht«. Er riet dem Trainer, »das eine oder andere Gläschen Rioja zu trinken, damit Du zur Ruhe kommst und eine ruhige Nacht verbringst«. Van Gaal hatte sich in den vergangenen Monaten wohl häufiger schlaflos im Bett gewälzt, aber sicher nicht am Dienstag. Er hat die Skeptiker, zu denen bisher auch Rummenigge gehörte, vielleicht noch nicht restlos überzeugt. Aber der Sieg sicherte ihm vorerst den Job. »Es gibt immer Schlüsselspiele in einer Saison«, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger. »Ich kann mir vorstellen, dass das eines war.«
Auch im vergangenen Jahr hatten die Bayern ein paar beachtliche Champions-League-Abende erlebt, aber nie eine Wirkung wie in Turin erzielt. Vielleicht musste ihnen eine Herausforderung gestellt bekommen, um zu alter Stärke zurückfinden: Die Fähigkeit, immer dann präsent zu sein, wenn es darauf ankommt, schien den Münchnern abhanden gekommen.
So zeigten sie in Turin plötzlich all das, was sie in dieser Saison meist hatten vermissen lassen. In hohem Tempo ließen sie den Ball laufen, wechselten schnell die Positionen und kämpften vor allem nach dem frühen Rückstand durch David Trezeguet um den Sieg, als ob davon nicht nur das Weiterkommen abhängen würde, sondern die Existenz des Vereins. »Wir haben gezeigt, dass wir eine richtige Mannschaft sind und zusammen kämpfen können«, sagte Kapitän Mark van Bommel.
Die Leistungssteigerung hing diesmal nicht wie sonst von Franck Ribéry und Arjen Robben ab. Ribéry war gar nicht dabei, Robben wurde erst spät eingewechselt, als die Bayern schon führten. Auch ohne die beiden sind die Münchner in der Lage, ideenreichen und schnellen Fußball zu spielen. Bastian Schweinsteiger agierte im Mittelfeld, als ob er einen Schnellkursus im Tempomachen absolviert hätte. Und vorne narrte Ivica Olic die Turiner Abwehr, weil er wie das nimmermüde Häschen einer Batteriewerbung umhersauste.
»Aber zehn Minuten vor dem Ende war das Duracellhäschen kaputt«, gab Olic zu, der einen Elfmeter herausholte und das wichtige 2:1 erzielte. Mario Gomez und Anatoli Timoschtschuk sorgten in der Schlussphase dafür, dass der Sieg auch in der Höhe der Leistung entsprach. Torhüter Hans-Jörg Butt hatte per Strafstoß das 1:1 erzielt und schon sein drittes Tor gegen Turin geschossen.
Manchmal neigen die Bayern nach solchen Sternstunden dazu, ihre Macht verbal zu demonstrieren. In Turin genossen sie vor allem den Moment und erlaubten sich nur einen kleinen Ausblick auf die letzten zwei Spiele in diesem Jahr. »Wir brauchen noch den einen oder anderen Punkt, damit die da oben wissen, dass wir jetzt mit Volldampf kommen«, sagte Rummenigge. Daran hatte in Turin ohnehin niemand mehr Zweifel.
Gruppe A:
Turin - FC Bayern 1:4 (1:1)
Haifa - Bordeaux 0:1 (0:1)
1. Girondins Bordeaux 6 9:2 16
2. Bayern München 6 9:5 10
3. Juventus Turin 6 4:7 8
4. Maccabi Haifa 6 0:8 0
Gruppe B:
Wolfsburg - Manchester 1:3 (0:1)
Istanbul - Moskau 1:2 (0:1)
1. Manchester United 6 10:6 13
2. ZSKA Moskau 6 10:10 10
3. VfL Wolfsburg 6 9:8 7
4. Besiktas Istanbul 6 3:8 4
Gruppe C:
Marseille - Real Madrid 1:3 (1:1)
Zürich - AC Mailand 1:1 (1:0)
1. Real Madrid 6 15:7 13
2. AC Mailand 6 8:7 9
3. Olympique Marseille 6 10:10 7
4. FC Zürich 6 5:14 4
Gruppe D:
Chelsea - Nikosia 2:2 (2:1)
Atlético Madrid - Porto 0:3 (0:2)
1. FC Chelsea 6 11:4 14
2. FC Porto 6 8:3 12
3. Atlético Madrid 6 3:12 3
4. APOEL Nikosia 6 4:7 3
Die jeweils ersten zwei Teams im Achtelfinale, die Dritten in Europa League.
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