Spiel mit der Angst vorm Staatsbankrott
Griechenlands lange Geschichte unsolider Haushaltsführung erreicht neuen Höhepunkt
Eigentlich sollte die Nachricht keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Dass Griechenlands Staatsfinanzen marode sind, ist seit Jahren bekannt. Schon der 1996 angetretene sozialdemokratische PASOK-Ministerpräsident Kostas Simitis hatte mit dem Verweis auf die zu hohe Verschuldung seine Landsleute davon zu überzeugen versucht, »den Gürtel enger zu schnallen«. Auf Simitis folgte 2004 Kostas Karamanlis von der konservativen Nea Dimokratia. Auch er trat an mit dem Versprechen, die Schulden abzubauen und die Neuverschuldung unter die vom EU-Stabilitätspakt vorgeschriebene Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu drücken. Stattdessen wurden aus 160 Milliarden Euro Staatsverschuldung, die die PASOK in fast 20 Jahren Regierungszeit hinterlassen hatte, 260 Milliarden, mehr als 110 Prozent des BIP.
Seit Oktober regiert nun wieder die PASOK. Kurz nach seinem Amtsantritt »entdeckte« der neue Ministerpräsident Giorgos Papandreou, dass die Zahlen der Regierung Karamanlis von rund 7 Prozent Neuverschuldung für dieses Jahr weit untertrieben waren. Das Statistikamt und die Zentralbank sprachen von 12 bis 13 Prozent. Die EU-Kommission schäumte. Schließlich hatte Griechenland erst beim Amtsantritt der letzten Regierung 2004 seine Verschuldungszahlen nach oben korrigiert. In Brüssel wird sogar spekuliert, ob Griechenlands Aufnahme 2002 in die Währungsunion ebenfalls falschen Angaben zu verdanken ist.
Die Mitgliedschaft in der Eurozone ist auch der Grund dafür, dass die aktuellen Nachrichten über Griechenlands marode Staatsfinanzen doch für große Unruhe sorgen, vor allem in der Finanz- und Wirtschaftswelt. Da mehrere Rating-Agenturen jetzt die Kreditwürdigkeit des südosteuropäischen Landes herabgestuft haben, wird die Schuldenaufnahme teurer, womit sogar die Zahlungsunfähigkeit droht. Dies könnte weitreichende Folgen für die EU insgesamt haben. Gleichzeitig besagt eine Klausel des EU-Vertrags, dass Euroländer nicht für Schulden anderer haften müssen. Finanzhilfen, wie es sie für das EU-Mitglied Ungarn zuletzt geben hatte, sind praktisch ausgeschlossen.
Einhellig fordern Finanz- und Wirtschaftsexperten in Brüssel, Athen und anderswo, Griechenland müsse »harte Sparmaßnahmen« ergreifen. Regelmäßig werden dabei das Einfrieren von Löhnen und Renten, längere Lebensarbeitszeiten sowie die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse genannt. Maßnahmen, die schon die Regierung Karamanlis in Angriff nahm – und das Land in noch höhere Schulden trieben. Die Kapitalsteuern wurden gesenkt, dagegen die Lohn- und indirekten Steuern, allen voran die Mehrwertsteuer, kräftig angehoben. Dies und die restriktive Lohnpolitik führten zu einer beispiellosen Senkung der Inlandskaufkraft. Die Folge waren einbrechende Steuereinnahmen.
Während die PASOK unter dem Druck aus Brüssel bereits Abstand von ihrem Wahlversprechen nimmt, über gesteigerte staatliche Investitionen sowie Lohn- und Rentenerhöhungen »den Wirtschaftsmotor wieder anzukurbeln«, fordert die linke Partei Synaspismos zum Widerstand gegen Brüssel auf. »Während unser Land Geisel des Gewinnstrebens der internationalen Investoren und Geschäftsbanken ist, erklärt die Regierung, dass sie das Rentensystem auflösen und öffentliche Investitionen streichen wird«, kritisierte der Parteivorsitzende Alexis Tsipras. Er rief Papandreou auf, eine Kreditvergabe von der Europäischen Zentralbank einzufordern.
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